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Januar 2022
Gewesen: NOperas! mit Obsessions in Wuppertal – 'Musik
der Zeit' beim WDR
Angekündigt: Frakzionen in Bielefeld – Klangkollektiv
Recursion als improviser in residence in Moers – Tage für
Zusammenkünfte in Essen u.v.a.m.
[NOperas! mit Obsessions in Wuppertal]
Bereits seit 2006
fördert der Fonds Experimentelles Musiktheater (feXm) von NRW KULTURsekretariat und Kunststiftung NRW Projekte, die zwar in den städtischen
Schauspiel- und Opernhäusern verankert sind, aber
die üblichen von Hierarchien und klaren
Arbeitsteilungen geprägten Produktionsbedingungen
außer Kraft setzen. Der Schwerpunkt liegt
stattdessen auf Teamwork, Prozessorientierung und
der Einbeziehung von Ensembles der freien Szene. Bis
2019 entstanden auf diese Weise 15 Produktionen, von
denen mir viele noch in lebhafter Erinnerung sind.
Die Übertragbarkeit auf andere Häuser ist bei dieser
Herangehensweise allerdings schwierig. Um nicht nur
Eintagsfliegen zu produzieren, entstand daher die
Idee, unter dem neuen Label NOperas! städte- beziehungsweise länderübergreifend
zu arbeiten. Von Anfang an dabei waren die Oper
Wuppertal und das Theater Bremen. Nach dem
Ausscheiden der Oper Halle sind inzwischen das
Staatstheater Darmstadt und das Musiktheater im
Revier Gelsenkirchen hinzugekommen.
Unter diesen Vorzeichen war im Januar 2020 in
Wuppertal schon die sogenannte Logistik-Oper Chaosmos zu erleben (s. Gazette Februar 2020). Verzögert durch Corona und andere Wirren
hatte jetzt am 3.12. Obsessions Premiere, das in einer ersten Version
Anfang 2022 bereits in Bremen aus der Taufe gehoben
wurde. Eingeladen war die finnische Kompanie Oblivia, die bereits seit 20 Jahren „kollektiv,
nicht-hierarchisch, multikünstlerisch“ unterwegs
ist, und für NOperas! mit der chinesischen
Komponistin Yiran Zhao zusammengearbeitet hat. In Wuppertal trafen
sie auf die Ensemblemitglieder Rebecca Murphy
(Sopran), Julia Reznik (Mezzosopran) und Yisae Choi
(Bass-Bariton), Musiker und Musikerinnen des
Sinfonieorchesters und natürlich auf den
Produktionsapparat der Oper, um gemeinsam das weite
Feld der menschlichen Obsessionen zu erkunden.
Oblivia nähert sich dem Phänomen, mit dem wir
gierige Besessenheit aber auch zwanghafte Fixierung
verbinden, auf sehr reduzierte und stilisierte
Weise. Die Bühne ist bis auf das am linken Rand
platzierte Kammerorchester vollkommen leer und wird
nach und nach von sieben Darstellern in
überdimensionierten, wallenden Gewändern bevölkert,
die sich in überzeichneten, skulpturalen Posen
präsentieren – seltsame Machtdemonstrationen,
herausfordernd und entlarvend zugleich. Dazu
erklingt eine fragile Musik, die sich manchmal in
volltönenden Gesang oder geradezu wohlige melodische
Gefilde versteigt, um sich bald darauf in diffuse
Lautäußerungen und Geräuschzuspielungen zu
verflüchtigen.
['Musik der Zeit' beim WDR]
In der Reihe 'Musik der Zeit' hob das WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Ilan Volkov am 9.12. zwei neue Werke aus der Taufe und konfrontierte sie mit Musik aus den 70er Jahren. Bemerkenswert ist, dass sich beide Uraufführungen an Beethoven abarbeiten. York Höller verwendet in seiner Beethoven Paraphrase Motive, die er in bewährter Weise aus Beethovens Namen destilliert (z. B. B-E-E-H-E) und einer 'permanenten Durchführung' unterzieht. Im zweiten Teil kommen Versatzstücke aus Beethovens Coriolan-Ouvertüre hinzu. Das Ergebnis ist solides konservatives Handwerk und will wohl auch nicht mehr sein. Malte Giesen interessiert sich nach eigener Aussage weniger für die kleinteilige Arbeit an historischen Motiven sondern für die klangliche Oberfläche. Für sein neues Werk Massenprozession hat er sich das Eingangsmotiv aus dem zweiten Satz von Beethovens 7. Sinfonie vorgenommen: Den einprägsamen Grundrhythmus, mit dem „schicksalshafte, auch apokalyptische, in jedem Fall rituelle und unveränderliche 'höhere Mächte'“ assoziiert werden, hat jeder sofort im Ohr, weshalb er auch – vom Tatort bis zu den X-Men – wiederholt für Filmmusiken verwendet wurde. Während des Kompositionsprozesses wurde Giesen dann selbst von höheren Mächten eingeholt: Die Coronapandemie forderte ihren Tribut, weshalb zunächst eine Version mit reduzierter Orchestergröße entstand. Erst jetzt kam in Köln die ursprünglich Fassung zur Aufführung mit großer Besetzung einschließlich verdoppelten Pauken und Neukonzeption der elektronischen Zuspielung. Das Stück entfaltet so die nötige Wucht, um dem zugrundeliegenden Thema, das Phänomen der bewegten Massen, gerecht zu werden. Das bekannte Motiv geistert mehr oder minder erkennbar durch den Raum, mal als dunkles Raunen und Rumoren, eingebettet in den Nebel der elektronischen Zuspielung, dem eine Aufnahme des 2. Satzes durch das WDR Sinfonieorchester zugrundeliegt, dann in absoluter Klarheit. Die Musik schwillt an, von Pauken befeuert, erodiert, zerfasert, tritt erneut über die Ufer, die Zuspielung verflüchtigt sich in bis zu 1024-facher Vervielfältigung zu weißem Rauschen, das sich wie ein Schatten über den Raum legt. In 20 Minuten passiert eine Menge, doch zum Schluss bleibt man etwas durchgewalkt mit der Frage zurück, ob das jetzt mehr war als viel Lärm um nichts. Aber vielleicht ist gerade das der Wirkmechanismus einer Massenprozession, ein ausgeklügeltes Trara mit Wiedererkennungseffekt.
In den 70er Jahren stand man der Tradition noch weitaus kritischer gegenüber und versuchte stattdessen neue Klangwelten zu erkunden. Dass man auch auf diese Weise ins Kino kommen kann, hat György Ligeti bewiesen, der diesmal mit seinem Doppelkonzert für Flöte und Oboe vertreten war. Auf einen ruhigen ersten Teil, in dem Tonhöhenschwankungen ein eigenwilliges Schillern und Flirren erzeugen, folgt ein quirliger zweiter Teil, der ganze Insektenschwärme in höchste Register vordringen lässt – Musik, die auch nach 50 Jahren ihren Reiz noch nicht verloren hat.[Termine im Januar]
Köln
In der Philharmonie
stehen das Ensemble Modern mit Wolfgang Rihm am 6.1.,
eine deutsche Erstaufführung von Guillaume Connesson am 15.1.
und ein Streichquartett von Misato Mochizuki am 29.1.
auf dem Programm. Die Musikfabrik lädt
am 9.1.
zum Montagskonzert und ist am 29.1.
u.a. mit einer Uraufführung von Milica Djordjevic
beim WDR zu Gast.
Am 6.
und 7.1.
findet im Barnes Crossing eine Wiederaufführung der Roboteroper
Rossums Universal Robots statt (s. Gazette
März 2022), Aki Takase
präsentiert am 10.1.
im japanischen Kulturinstitut
eine Neuinterpretation der Carmen in einem Bühnenbild
von Chiharu Shiota
und in der Reihe 'soundings' der Kunsthochschule
für Medien ist am 12.1.
Edwin van der Heide zu Gast.
In der Kunststation
Sankt Peter wird am 14.12. das Posaunen-Ensemble
Bonecrusher erwartet, im nächsten 'Musik der Zeit'-Konzert im
WDR kommt am 21.1.
ein neues Werk von Steven
Daverson zur Uraufführung, die nächste Soirée Sonique im
Lutherturm findet am 25.1. statt, am 27.1.
veranstaltet das musikwissenschaftliche Institut der Uni Köln
ein Jubiläumskonzert für Xenakis und in der Alten Feuerwache
steht am 29.1. das Ensemble Dehio auf der Bühne.
Ruhrgebiet
Das E-Mex-Ensemble
setzt seine Reihe 'Fleisch' am 8.1. im
Maschinenhaus in Essen und am 20.1. im Anneliese Brost Musikforum
in Bochum fort.
Am 19.1. ist The Dorf
mit seiner monatlichen Session im Dortmunder domicil zu erleben
und im Konzerthaus
kommt am 28.1.
Fires von Raminta
Šerkšnytė zur Aufführung.
Düsseldorf
In der Tonhalle setzt das Notabu-Ensemble am 25.1. seine Reihe 'Na hör'n Sie mal' fort.
Sonstwo
Die Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik kündigt aktuellen Jazz mit Olivier Chavet am 14.1. und ein Klavierkonzert mit Jan Gerdes am 21.1. an.
Die Bielefelder Cooperativa Neue Musik veranstaltet am 9.1. den nächsten Jour fixe. Vom 13. bis 15.1. findet bei freiem Eintritt das Festival Frakzionen in der Zionskirche statt. Mit dabei sind das Ensemble Ascolta, das Ensemble Bonecrusher, die Schlagzeugerin Vanessa Porter u.v.a.m. Bei einem weiteren Neue Musik-Konzert in der Zionskirche am 22.1. ist Irene Kurka zu Gast.
In der Hochschule für Musik in Detmold erwarten uns ein Konzert mit dem Ensemble Earquake am 10.1. und die Werkstatt für Wellenfeldsynthese am 27.1.
Als Moerser improviser in residence für 2023 wurde das von Christopher Retz, Steven Koch und Jan Krause gegründete Kunst- und Klangkollektiv Recursion ausgewählt. Das Übergabekonzert findet am 22.1. statt.
In der Blackbox in Münster werden das Trio Ephemeral Fragments am 15.1. und das Trio Mehta-Klare-Froleyks am 29.1. erwartet. Jan Klare ist im Januar gleich mehrfach in Münster zu erleben – am 14.1. in der Trafostation, am 26.1. in der Baracke und am 27.1. bei einer Aufführung von Peter Weiss' Die Ermittlung im Landgericht.
Das Studio für Neue Musik der Uni Siegen kündigt ein Konzert mit Friedrich Gauwerky und Florian Uhlig am 17.1. an.
Der Wuppertaler ort beginnt das neue Jahr mit einem kladeraDADAtsch zu Schwitters 75. Todestag am 8.1., dem cine:ort am 12.1. und Neuer Musik für Viola und Klavier am 16.1.
Termine mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
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