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Gewesen: Oper Dogville von Gordon Kampe in Essen
Angekündigt: Wittener
Tage für neue Kammermusik – Achtbrücken-Festival in Köln –
Soundseeing im Münsterland u.v.a.m.
Corona hat auch in
diesem Fall für erhebliche Verzögerungen gesorgt,
aber am 11.3.23 war es endlich soweit: Gordon Kampes neue Oper Dogville erlebte im Essener
Aalto-Musiktheater seine Uraufführung.
Ausgangspunkt ist Lars von Triers gleichnamiger
Film aus dem Jahre 2003. Er erzählt die Geschichte
von Grace, die scheinbar auf der Flucht in einem
abgelegenen Dorf Schutz sucht. Unterstützt von dem
neunmalklugen Tom, der ein Auge auf sie geworfen
hat, gelingt es ihr, die Zustimmung der
Dorfgemeinschaft zu erlangen. Nach anfänglichem
Fremdeln scheint alles in guten Bahnen zu
verlaufen. Sie besteht die Probezeit, man feiert
gemeinsam, doch dann kippt die Stimmung. Grace'
prekäre Situation – wiederholt erscheinen
Polizisten mit Fahndungsaufrufen – erzeugt ein
Machtgefälle, das die Dorfbewohner immer
schamloser und unerbittlicher ausnutzen.
Demütigungen und Herabwürdigungen steigern sich
ins Groteske, sie wird von fast der gesamten
männlichen Belegschaft vergewaltigt und nach einem
Fluchtversuch wie ein Hofhund in Ketten gelegt.
Dabei ist es den Tätern stets wichtig, die
Verantwortung für ihr Handeln von sich zu weisen.
Man habe ja keine andere Wahl, Grace solle das
alles nicht als Strafe und schon gar nicht
persönlich nehmen. Das Ende ist vermutlich
allgemein bekannt und kann daher hier verraten
werden: Grace entpuppt sich als Tochter eines
Gangsterbosses, von dessen Lebenswandel sie sich
eigentlich distanzieren wollte. Doch auf derart
eklatante Weise mit der Schlechtigkeit der Welt
konfrontiert, ist es auch ihr nicht mehr möglich,
ihrem Namen gerecht zu werden und Gnade vor Recht
ergehen zu lassen. Statt mit dem reitenden Boten
aus der Dreigroschenoper hält sie es mit der
Seeräuber-Jenny und lässt Köpfe rollen. Sie setzt
an zu einem fulminanten Rachefeldzug, denn nur
indem man das Böse seiner gerechten Strafe
zuführt, könne man die Welt zu einer besseren
machen.
Der Plot fasziniert durch seine scheinbare
Schlichtheit und tatsächliche Komplexität und so
wundert es nicht, dass er schon wiederholt für das
Theater adaptiert wurde. Auch Gordon Kampe ließ
sich nicht zweimal bitten, als Hein Mulders, der
damalige Intendant des Aalto-Theaters, mit dem
Vorschlag an ihn herantrat, daraus eine Oper zu
entwickeln, und machte sich zusammen mit einem
Regieteam rund um David Hermann ans Werk. Während
der originale Text operngerecht reduziert und auf
den allwissenden Erzähler verzichtet wurde, ist
Kampes Musik um so ausgefeilter. Das offenbart
bereits die Eingangsszene, in der sich die
Dorfgemeinschaft nacheinander auf der noch leeren
Bühne präsentiert. Jede und jeder von ihnen erhält
eine spezifische musikalische Charakterisierung:
Die Ordnungsfanatikerin ergeht sich in zwanghaften
Repetitionen, der Dorffiesling lässt seine Stimme
überschnappen. Sie vereinen sich zu einer
musikalischen Kraft, in der von Anfang an das
Chaos und der Zerfall lauern. Besonders filigran
ist der blinde McKay gezeichnet, der sich mit
Grace zu einem fast zarten Duett vereinigt. Doch
im Allgemeinen gilt, was Kampe bereits im
Programmheft prophezeit: „Je süßer die Musik
klingt, umso fieser sind die Personen und
Situationen.“ Das Kind Jason lässt vom ersten Ton
an keinen Zweifel daran aufkommen, dass hinter
seinem glockensüßen Gesang Abgründe lauern. Als
sonst schwächstes Glied in der Kette erkennt er
als erster, welch perfides Potential die neue
Konstellation in sich birgt. Besonders kostet
Kampe die dramatischen Momente aus, wozu er vor
allem in der apokalyptischen Schlusssequenz
reichlich Gelegenheit hat. Er lässt Paukenhagel
auf uns niederprasseln, fährt breite pastose
Bläserakkorde auf und greift tief und gekonnt in
den orchestralen Farbtopf.
[Termine im April]
Köln
In der Philharmonie
stehen György Ligeti und Minas Borboudakis am 2.4.,
Brett Dean und Mark Barden am 14.4.,
Witold Lutosławski am 16.4.,
George Benjamin am 16.,
17.
und 18.4.,
Andrea Lorenzo Scartazzini am 19.4.,
György Kurtág am 20.4.
und Ondřej Adámek am 23.4.
auf dem Programm.
Die Kunststation
Sankt Peter lädt ein zu Lunchkonzerten am 1., 8., 15. und
22.4. und im Rahmen des Festivals Acht Brücken
ist dort am 28. und 29.4. die Konzertinstallation Myriad III
von Rebecca Saunders zu erleben. Saunders steht in diesem Jahr
im Fokus des Festivals, das sich dem Thema Stille widmet. Den
Auftakt bildet am 28.4.
ein Konzert der Reihe 'Musik der Zeit' mit dem Sinfonieorchester
und Rundfunkchor des WDR und am 29.4. dirigiert George
Benjamin eine konzertante Aufführung seiner Oper Lessons in
Love and Violence. Im Vorfeld coacht das Ensemble Musikfabrik
vom 23.
und 24.4. beim European
Workshop for Contemporary Music junge Musiker und
Musikerinnen aus Europa, die sich am 30.4.
im Wallraf-Richartz-Museum mit einem Konzert präsentieren.
Ruhrgebiet
Im Bochumer Kunstmuseum wird am 14.4. die Reihe 'Klangbilder' mit improvisierter Musik fortgesetzt – mit Martin Blume am Schlagzeug – und in der Melanchthonkirche stellt sich am 28.4. Stefan Heucke in einem Gesprächskonzert vor.
Im Dortmunder U ist vom 17.3. bis 27.8. Nam Yun Paik in der Ausstellung I Expose the Music von seiner musikalischen Seite zu erleben und am 13.4. spielt das E-Mex-Ensemble dazu Musik, die aus der Zukunft kommt. Im Konzerthaus stehen Pavel Karmanov und Alfred Schnittke am 16.4., Sofia Gubaidulina am 19.4. und George Benjamin mit einer konzertanten Aufführung seiner Oper Lessons in Love and Violence am 27.4. auf dem Programm. Im domicil erwarten uns das Sheen Trio am 6.4. und The Dorf am 20.4. und das nächste mex-Konzert findet am 29.4. im Künstlerhaus statt.
Im Duisburger Lokal Harmonie steht am 15.4. das Duo Interstellar 227 auf der Bühne und die Duisburger Philharmoniker spielen am 26. und 27.4. Manfred Trojahns Sinfonie Nr. 5.
Die Essener Philharmonie kündigt Matthias Pintscher am 15.4., Víkingur Ólafsson mit Werken von Philip Glass am 25.4., Wolfgang Rihms Verwandlung 6 am 27. und 28.4. und George Benjamin mit einer konzertanten Aufführung seiner Oper Lessons in Love and Violence am 30.4. an. In der Folkwang Hochschule ist am 17.4. das Ensemble für Neue Musik Spring zu erleben.
Im Makroscope in Mülheim an der Ruhr
erwarten uns das Trio Vließ am 21.4. und stromspiesser am 30.4.
Düsseldorf
Die Tonhalle kündigt ein neues Werk von Lorenzo Scartazzini am 16.4. und das Notabu-Ensemble in der Reihe 'Na hör'n Sie mal' am 26.4. an, in der Neanderkirche erklingt am 21.4. elektronische Musik und Orgel, in der Kunsthalle findet ebenfalls am 26.4. ein Performancekonzert mit Alexandra von der Weth, Gerhard Stäbler und Kunsu Shim statt und der Klangraum 61 veranstaltet am 28.4. den nächsten Salon Neue Musik.
Sonstwo
Neben aktuellem Jazz am 22. und 29.4. bietet die Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik am 14.4. eine neue Ausgabe der Reihe 'Hören und Sprechen über Neue Musik' mit dem Fokus auf Anno Schreier.
In Bielefeld hat am 15.4. die Oper Die Frau im Eis (Anthropocene) des schottischen Komponisten Stuart MacRae Premiere, zu der am 3.4. eine Einführung stattfindet. Die Cooperativa Neue Musik veranstaltet monatlich einen Jour fixe und in der Zionskirche erklingt am 2. und 9.4. zeitgenössische Musik.
Das Musiktheater Transfleisch von Sergej Maingardt kommt am 3.4. in der Bundeskunsthalle Bonn zur Aufführung, die In Situ Art Society präsentiert The Dissonant Series mit digital Primitives am 2.4. und Echolot am 22.4. und ganz in der Nähe, in der Kunsthalle Hangelar in Sankt Augustin, findet am 23.4. das nächste Werkstattkonzert statt.
Im Krefelder TAM erwartet uns im April Motoren-Werk – wie immer freitags um 22 Uhr.
In der Black Box in Münster stehen Zbigniew Chojnacki mit Akkordeon & Live-Elektronik am 2.4. und Phil Minton und Carl Ludwig Hübsch am 29.4. auf der Bühne.
Das Klangkunstfestival soundseeing lädt wieder ein, das Münsterland zu erkunden. Zum Auftakt kann man noch bis zum 30.4. Arbeiten der Klasse Suchan Kinoshita der Kunstakademie Münster im Kulturgut Haus Nottbeck erkunden.
In der Dauerausstellung des Deutschen Klingenmuseums in Solingen präsentiert Verena Barié am 1.4. eine Kunstperformance unter dem Motto Gewalt und Mitgefühl.
Vom 21. bis 23.4. trifft sich wieder alles in Witten zu den Tagen für neue Kammermusik. Neben vielen anderen kommt Carola Bauckholt zum Gespräch und Manos Tsangaris geht auf Sendung.
Am 2. und 3.4. bringt das Wuppertaler Sinfonieorchester Musik von Ligeti und Bernd Alois Zimmermann zur Aufführung, am 5.4. kommen Robyn Schulkowsky und Joey Baron ins Loch und der ort kündigt das Alafia Ensemble am 22.4., ein Konzert zur Erinnerung an Peter Kowalds Global Village Ensemble am 27.4. und das island trio in der Reihe 'all female' am 29.4. an.
Termine mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
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