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[Der Klang des bedingungslosen Grundeinkommens – Stationen NRW]
Das
bedingungslose Grundeinkommen ist zwar nach wie vor
umstritten und
von einer Realisierung entfernt, aber zumindest in der
Neuen Musik
scheint es angekommen zu sein. Gerade erst hat uns
Manos Tsangaris
(in seinem Stück Sondage,
s. Gazette
Mai)
nach unserer Meinung dazu befragt, jetzt wollen die Stationen
es sogar zum Klingen bringen.
2008
haben sich auf Anregung des Landesmusikrats
NRW
die Neue-Musik-Gesellschaften des Landes zu einem
Arbeitskreis
zusammengeschlossen, der unter anderem die durch NRW
tourende
Konzertreihe Stationen ins Leben rief. Nachdem
bislang rein
musikalische Themen im Fokus standen (z.B. 2019 die
menschliche
Stimme), hat man sich diesmal ganz gezielt aus dem
Elfenbeinturm
herausgewagt, einem gesellschaftlichen Thema
zugewandt und hierzu
auch mit dem Netzwerk
Grundeinkommen
kooperiert. Das macht durchaus Sinn, denn die
Coronapandemie hat
überdeutlich gezeigt, wie prekär die Lage vieler
Kulturschaffender
ist und wie wichtig Überlegungen zu einer
grundlegenden
existentiellen Absicherung sind.Trotzdem wird die
Musik nicht einfach
vor einen politischen Karren gespannt. Sie darf
machen, was sie will,
was schon daran deutlich wird, dass vier der fünf
aufgeführten
Werke ohne direkte Bezugnahme auf das Thema und zu
einer Zeit
entstanden, als die Diskussion um das Grundeinkommen
noch nicht
allgemein präsent war. Zu Gehör kommen Werke für
Schlagzeug, die
von einem von Rie Watanabe koordinierten Ensemble
interpretiert
werden. Perkussion ist oft mit Rhythmus verbunden,
die Assoziation
zwischen dem Zählen von Takten und dem Zählen von
Geld liegt nahe,
aber geraten wir dadurch nicht eher ins Reich der
Notwendigkeit als
ins Reich der Freiheit? Tauchen nicht eher Bilder
von
ineinandergreifenden Zahnrädern und
Steuererklärungen als solche
von Unabhängigkeit und Selbstbestimmung auf? Genau
mit dieser
Ambivalenz arbeiten die ausgewählten Stücke. Dieter
Schnebel lässt
in Zahlen
für (mit) Münzen (1985)
Geldstücke
wirbeln, rollen, klackern und klimpern, erlöst sie
so aus ihrer
alltäglichen Funktion und öffnet sie dem freien,
lustvollen Spiel.
[Achtbrückenfestival in Köln]
Kaum
erwacht die Kulturlandschaft aus dem Pandemieschlaf, da steht
man
schon vor der Qual der Wahl. Obwohl in beiden Fällen der WDR
seine
Hand im Spiel hat, überschnitten sich die Termine des
Achtbrückenfestivals
und der Wittener Tage für Neue Kammermusik, so dass ich mich
ersterem diesmal nicht mit der gebotenen Gründlichkeit widmen
konnte. Man könnte meinen, die Veranstalter wollen das
Publikum nach
der langen Abstinenzzeit vor einer Überdosis bewahren, aber
ähnliche
Koinzidenzen gab es auch früher.
Während
sich Witten als Uraufführungsfestival für Insider versteht,
wendet
sich Achtbrücken an ein breiteres Publikum und bietet
traditionsgemäß am 1. Mai beim Freihafen ein kostenloses
Schnupperpaket. Auf der Bühne des WDR-Funkhauses stand dabei
das
kanadische Ensemble
Constantinopel, das sich nach eigenen Angaben von seinem
Landsmann Claude Vivier inspirieren lässt, aber dessen Name
stand
nur auf der Verpackung, drin steckten sogenannte
'weltmusikalische
Exkursionen'. Auch im Konzert der Musikfabrik ging es um
Kulturaustausch, wobei der Ungar Peter Eötvös natürlich längst
eingemeindet ist. Musikalisch hat er sich allerdings in einer
sehr
konventionellen Nische eingerichtet, aus der wohl keine
besonderen
Vorkommnisse mehr zu erwarten sind. Mehr Anklang fand Malika
Kishinos Shades of Echoes, in dem sie der
wunderbar
quäkigen Oboe eine Stimme gibt, die sich im Schlagzeug und den
anderen Instrumenten auf vielfältige Weise fortsetzt.
Für die anschließende Ernüchterung sorgte die Deutsche Bahn, die meine mitternächtliche Zugverbindung ohne Vorwarnung ersatzlos ausfallen ließ, aber das konnte mich auch nicht mehr erschüttern.
[Wittener Tage für Neue Kammermusik]
Die
Wittener
Tage für Neue Kammermusik waren in diesem Jahr in
doppelter
Hinsicht etwas besonderes. Zum einen konnte man sich nach zwei
Jahren
Lockdown endlich wieder live und vor Ort begegnen, zum anderen
war es
die letzte Ausgabe unter der künstlerischen Leitung von Harry
Vogt.
Zwar ist das Festival des kommenden Jahres längst terminiert
(21.
bis 23.4.2023) und geplant und trägt daher weiterhin seine
Handschrift, er selbst wird aber nur noch als Rentner dabei
sein.
Immerhin wurde die Stelle weder gestrichen noch gekürzt
sondern
inzwischen öffentlich ausgeschrieben,
so dass man der Neubesetzung mit Spannung entgegensehen kann.
Doch
vorher galt es, sich vom 6. bis 8.5.2022 dem Hier und Jetzt zu
widmen, wozu bei bestem Wetter der Schwesternpark einlud. Es
ist
wirklich erstaunlich, dass die kleine Stadt Witten nach so
vielen
Jahren noch Überraschungen bereit hält: Am Rande der
Innenstadt
verbirgt sich ein wahres botanisches Kleinod, das ein gewisser
Adolf
Schluckebier vor über 100 Jahren anlegen ließ, um den
Schwestern
des benachbarten Krankenhauses ein Refugium zu bieten.
Besonders
beeindruckend ist der Abwechslungsreichtum, der sich hier auf
kleinstem Raum entfaltet: Man flaniert durch ein Azaleen-,
Veilchen-
und Alpenrosental, passiert einen Felsengarten und eine
Kiefernhöhe.
Da die musikalischen Interventionen schon für das vergangene
Jahr
entstanden, erhielten wir 2021 bereits einen radiophonen
Vorgeschmack, aber mehr noch als bei anderen Formaten ist hier
das
Liveerlebnis unverzichtbar. So zum Beispiel wenn Kirsten
Reese die Heimat:Habitate der Insektenwelt
erkundet und
die Teichlandschaft in einen wuselnden und wimmelnden Kosmos
verwandelt, indem sie zugespielte teils elektronisch
verfremdete
Insektenklänge mit live performten Instrumental- und
Menschenstimmen
vermischt. Thomas Taxus Beck lässt aus unzähligen im Park
verteilten Nistkästen nicht nur Vogelstimmen sondern auch
manch
Unerwartetes erklingen und mit Georg
Klein kann man auf Parkbänken den Geschichten heutiger
Schwestern lauschen. Auf besonders sinnliche Weise kommen
diese in
Lilian Beidlers
Installation Lustwurzeln und Traumrinden zu Gehör:
Über den
weichen Mulchboden des Heidetals wandelnd dringen die aus
unsichtbaren Lautsprechern aus dem Erdreich aufsteigenden
Stimmen,
die von Wehen und Lüsten, Tagträumen und Genüssen der
Schwestern
flüstern und raunen, unmittelbar in mich ein, schlagen Wurzeln
in
meinen Füßen und treiben poetische Blüten in meinen Gedanken.
Der Musik von Milica Djordjević bin ich schon bald darauf erneut begegnet: Das Notabu-Ensemble richtete in seinem Konzert am 18.5. in der Düsseldorfer Tonhalle die Ohren auf Osteuropa und brachte dabei ihr Ensemblewerk Rdja (Rost) zur Aufführung. Wieder ist es die enorme Energie und Körperlichkeit, die mich fasziniert: Wie sich auftürmende Wellen rollen die Klänge heran, dicht und drängend wie eine Gewitterwand und gleichzeitig von fiebrigen inneren Turbulenzen aufgewühlt. Ihren Namen werde ich mir merken.
[Termine im Juni]
In
der Philharmonie
stehen Sofia Gubaidulina am 8.6.,
Philipp Maintz am 12.6.,
York Höller am 18.6.,
György Ligeti am 19.6.,
20.6.
und 21.6.
sowie Osvaldo Golijov am 23.6.
auf dem Programm. In der Kunststation
Sankt Peter erwarten uns 'The late Feldman' am
3.6., ein
Orgelkonzert am 5.6., 'The Sound of Rubens' am 10.6.,
ein neues Werk
von Prasqual am 17.6., das Trio Abstrakt am 22.6. und
neue Werke aus
NRW und Israel am 24.6. sowie Lunchkonzerte am 4., 11.,
18. und 25.6.
Vom 19. bis 23.6. findet der Romanische
Sommer statt. Mit dabei sind u.a. das Kommas
Ensemble und das Trio Lunyala.
In
der Alten
Feuerwache
sind das Ensemble
hand werk
am 21.6. und das Ensemble
Garage
am 26.6. zu Gast. Die Musikfabrik
lädt am 13.6.
und 27.6.
zum Montagskonzert und hebt am 30.6.
Uraufführungen von Studierenden der Musikhochschule
aus der Taufe. Dort kann man außerdem am 25.6. dem Echo
aus
Montepulciano lauschen.
Ruhrgebiet
In der Bochumer Melanchthonkirche erklingen am 6.6. Metamorphosen für Oboe und Orgel und die Soundtrips NRW mit Isidora Edwards und Nina de Heney sind am 10.6. im Kunstmuseum zu Gast.
Im Rahmen des Dortmunder Festivals Beyond Opera sind die Performance Her Noise am 1.6. und die Nordstadtoper am 4.6. zu erleben. Im Konzerthaus kommen am 15.6. Werke von Cage, Xenakis, Oriol Cruixent und Maki Ishii zu Gehör und die Kopfnoten befassen sich am 20.6. mit Deutungshoheiten der Moderne. Im domicil steht am 16.6. The Dorf auf der Bühne.
Im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr spielt Hanni Liang am 15.6. in Essen Musik von York Höller. In der Philharmonie kommt am 23. und 24.6. Philipp Glass' Saxofonkonzert zur Aufführung und vom 13.6. bis 17.6. kann man wieder den Park Sounds lauschen, die die Philharmonie gemeinsam mit dem ICEM der Folkwang Universität veranstaltet. In der Folkwang Universität findet außerdem das Abschlusskonzert Integrative Komposition am 22.6. und die Masterprüfung Neue Musik am 28.6. statt. Die Musikbibliothek erinnert am 30.6. in einem Konzert mit dem E-Mex Ensemble an Mauricio Rosenmann Taub. Der Komponist und Schriftsteller, der im letzten Jahr in Essen verstarb, war viele Jahre Professor an der Folkwang Hochschule.
In Mülheim an der Ruhr wird im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr am 13.6. York Höllers Doppelkonzert für Violoncello und Klavier aus der Taufe gehoben.
Dominik Susteck bringt sein Orgelwerk Zeichen am 3.6. in Bochum und Duisburg und am 12.6. in Köln zur Aufführung.
Düsseldorf
In der Robert Schumann Hochschule präsentiert am 15. und 16.6. die Klasse von Oliver Schneller neue Musik. Im Rahmen des Schumannfestes in der Tonhalle erklingt auch Zeitgenössisches: Am 15.6. trifft Musik auf Tanz, bildende Kunst, Video, Design und Schauspiel, vom 17. bis 19.6. ist in der Sammlung Philara die interaktive Konzertinstallation NUQTA – The Beginning zu erleben, Isabelle Faust spielt am 18.6. ein Solo-Programm, zu dem die Französin Charlotte Guibé live auf der Bühne malt, und am 19.6. erwartet uns The Scriabin Code. Die Klangräume kündigen Folklora Mediterran am 18.6. und Bach Revisited am 25.6. an.
Sonstwo
In der Reihe Soundtrips NRW treffen Isidora Edwards und Nina de Heney vom 8. bis 17.6. in Köln, Hagen, Bochum, Münster, Duisburg, Düsseldorf, Bonn, Wuppertal und Dortmund auf wechselnde Gäste.
Die Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik befasst sich in der Reihe 'Hören und Sprechen über Neue Musik' am 3.6. mit Claus Kühnl und stellt am 10.6. das Reinhard Glöder Trio vor.
Die Bielefelder Cooperativa Neue Musik kündigt einen Jour fixe am 8.6. und das Cooperativa Ensemble am 14.6. an und in der Zionskirche erwartet uns ein Orgelkonzert am 6.6. und Der rote Ahorn, ein Musik-Sprechtheaterstück von Johannes Fritsch, am 19.6.
Im Bonner Dialograum Kreuzung an Sankt Helena präsentiert die In Situ Art Society im Rahmen des Projekts Bridge am 3. und 4.6. Konzerte mit dem legendären Saxophonisten Roscoe Mitchell, am 13.6. ist das Asasello Quartett, am 15.6. die Soundtrips NRW und am 17.6. Martin Blume mit Hans Peter Hiby, George Paul & Onno Govaert zu Gast. Michael Denhoff spielt am 19.6. in der Gesellschaft für Kunst und Gestaltung auf den Spaltholz-Klangobjekten von Klaus Wangen und in der Kunsthalle Hangelar im nahen Sankt Augustin stehen am 26.6. drei Kontrabässe auf der Bühne.
Die Musikhochschule Detmold kündigt ein Schlagzeugkonzert zum 100. Geburtstag von Iannis Xenakis am 1.6. und die Werkstatt für Wellenfeldsynthese am 29.6. an.
In Hagen werden die Musikfabrik am 14.6. und das Essener Noise Dub Ensemble am 30.6. erwartet.
Vom 3. bis 6.6. findet in Moers das Pfingstfestival statt.
Der ehemalige Leiter des Moerser Festivals, Reiner Michalke, ist derweil zu neuen Ufern aufgebrochen und hat in Monheim eine Triennale initiiert, die erstmalig vom 22. bis 26.6. über die Bühne geht. Eingeladen sind u.a. Markus Schmickler und Jennifer Walshe.
In der Black Box in Münster stehen die Soundtrips NRW am 12.6. und Les Marquises am 19.6. auf dem Programm.
Das Studio für Neue Musik der Universität Siegen kündigt Uraufführungen von Martin Herchenröder und Michael Ostrzyga am 2.6. und skandinavische Orgelmusik des 20. und 21. Jahrhunderts am 23.6. an.
Im Wuppertaler ort erwarten uns ein Konzert in der Reihe 'Neue Musik' mit Othello Liesmann am 4.6., das Schultze Ehwald Rainey Trio am 10.6., die Soundtrips NRW am 16.6., das Ensemble Ay featuring Nina de Heney in der Reihe 'all female' am 19.6. und das Phil Minton Quartet am 24.6.
Termine
mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
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