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Gewesen: NOW!-Festival in Essen –
Schnebels Luther 500 in Mülheim
Angekündigt: Containerklang
und Frau Musica Nova in Köln – Marx in London am Bonner Theater – Elliott
Sharps Benjamin-Oper Port Bou u.v.a.m.
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[NOW!-Festival in Essen]
Vor genau
10 Jahren startete die Kulturstiftung des Bundes mit
dem Netzwerk Neue Musik ein groß angelegtes
Projekt zur Förderung von 15 regionalen Initiativen,
die sich der Vermittlung zeitgenössischer Musik
verschrieben haben, wobei NRW mit Köln, Essen und Moers gleich dreimal vertreten
war. In Köln entwickelte sich daraus ON – Neue Musik Köln, ein lebendiges Netzwerk,
das erst kürzlich sein 10-jähriges Bestehen feierte
(s. Oktober-Gazette). Auch in Essen kam es zu
einer engen Zusammenarbeit lokaler Partner, die
schließlich 2011 unter Federführung der Philharmonie in der Gründung des
Festivals NOW! gipfelte. Inzwischen sind
neben der Philharmonie die Folkwang Universität, die Stiftung Zollverein, der Landesmusikrat NRW und PACT Zollverein mit im Boot und NOW! hat
sich zu einer festen Größe entwickelt. Neben den
altehrwürdigen Wittener Tagen für neue Kammermusik ist
es das wichtigste Neue-Musik-Ereignis im Ruhrgebiet,
wobei die Konzepte sehr unterschiedlich sind. Während
Witten sich als Uraufführungsfestival etabliert hat
und ein internationales Insiderpublikum anlockt, ist
NOW! sehr viel breiter aufgestellt und wendet sich
ausdrücklich an Menschen vor Ort. Um dabei den roten
Faden nicht zu verlieren, orientiert man sich jedes
Jahr an einem Leitthema und nahm diesmal unter dem
Motto 'form per form' performative Elemente ins Visier
– ein wahrlich weites Feld, das in Zeiten der
Intermedialität wieder hoch im Kurs steht. Der Bogen
war weit gespannt und begann mit einem Blick zurück zu
den Anfängen der Moderne: Unter der Leitung von Henrik
Nánási präsentierten die Essener Philharmoniker
Bartóks Herzog Blaubarts Burg und Schönbergs Monodram Erwartung in einer
hochkarätigen, semikonzertanten Aufführung.
Natürlich durfte Mauricio Kagel nicht fehlen, dessen
instrumentales Theater die jeder musikalischen
Darbietung zugrunde liegenden performativen Aspekte
offensiv einsetzt und gleichzeitig durch
nicht-klingende Aktionen erweitert. Im PACT
Zollverein war sein raumgreifendes Zwei-Mann-Orchester mit den beiden
Performern Wilhelm Bruck und Matthias Würsch zu
erleben, ersterer bereits bei der Uraufführung 1973
beteiligt. Die beiden agieren in einer überbordenden
Konstruktion bestehend aus allen möglichen Klang-
und Geräuscherzeugern, deren Erreichbarkeit durch
ein ausgeklügeltes System von Stricken und Stangen
sichergestellt wird. Nicht der Klang selbst sondern
seine Erzeugung wird hier zum Ereignis, was zur
Folge hat, dass in dem austarierten Mit- und
Gegeneinander von Hör- und Sichtbarem, die
akustische Ebene manchmal ins Hintertreffen gerät.
Kagels Progressivität ist definitiv mehr im
Szenischen bzw. Konzeptionellen und weniger im
Musikalischen angesiedelt. Seine 'normalen'
Kompositionen klingen oftmals erstaunlich
konventionell und leben von den 'Zugaben', sei es,
dass der Dirigent wie im Finale mit
Kammerensemble zum Schluss das
Zeitliche segnet oder die Stücke wie in Variéte als Folie einer
szenischen Umsetzung dienen. Bei NOW! erfolgte diese
durch Essener Schülerinnen und Schüler, die unter
der Leitung von Violetta von der Heydt und Angéla
Wilmer mit viel Eifer und vielleicht etwas zu viel
Ernst bei der Sache waren.
[Schnebels Luther 500 in Mülheim]
Die Petrikirche in Mülheim an der Ruhr ist in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Alle zwei Jahre findet dort das Neue-Musik-Festival Utopie jetzt! statt und mit der 2002 gegründeten Singschule existiert ein Forum, das inzwischen 160 Kinder und Jugendliche vereint und dessen Aktivitäten jährlich in der Erarbeitung eines musiktheatralischen Werks gipfeln. Die treibende Kraft dahinter ist der seit 1986 in Mülheim wirkende Kantor Gijs Burger, dem es immer wieder gelingt namhafte Komponisten an die Ruhr zu locken. Einer von denen, die dem Utopie jetzt!-Festival seit vielen Jahren eng verbunden sind, war Dieter Schnebel und so kam Burger 2016 auf die Idee, ihn mit einem Werk für die Singschule zu beauftragen und so die beiden Interessensstränge der Petrikirche zu verbinden. Schnebel machte sich sofort ans Werk und es entstand der Plan, sich angesichts des Lutherjahres 2017 mit dem großen Reformator zu befassen. Die Uraufführung von Luther 500 fand jedoch erst jetzt im Rahmen des 13. Utopie jetzt!-Festivals statt, so dass Schnebel sie aufgrund seines Todes im Mai diesen Jahres nicht mehr selbst erleben konnte, doch seine Präsenz war spürbar und er hätte am Spiel der Kinder und Jugendlichen mit Sicherheit seine Freude gehabt. Diese waren unter der Leitung von Lidy Mouw und Mathias Kocks von Anfang an aktiv an der Inszenierung beteiligt und man spürt in jedem Moment, dass sie das Stück zu ihrem eigenen gemacht haben. Das in 37. Kapiteln Luthers Leben chronologisch abhandelnde Textbuch wirkt zunächst recht trocken, doch sie füllen es mit Leben, werden selbst zum zweifelnden, kämpfenden, mit sich, den Menschen und Gott ringenden Reformator und verknüpfen seine Erfahrungen mit unseren heutigen. Auf einen Hauptdarsteller kann man dabei verzichten, denn wir alle sind gemeint. Zum Auftakt erfüllt ein leises, kaum ortbares Summen den Raum, das immer mehr anschwillt, während die im Auditorium platzierten Darsteller einer nach dem anderen, fast traumwandlerisch das als Podium dienende Karree in der Kirchenmitte erklimmen. Die Inszenierung unterstreicht diesen Ansatz, indem sie auf realistische Illustrierungen verzichtet und stattdessen offene, ausdrucksstarke Bilder entwickelt. Die Jugendlichen formieren sich zu lebenden Skulpturengruppen oder erscheinen in Großaufnahme ganz nahbar auf einer Videoleinwand, sie schwärmen in den Kirchenraum aus und wenden sich direkt ans Publikum. Wenn vom nicht zuletzt vom Buchdruck beförderten Siegeszug der Reformation berichtet wird, ziehen sie lange Papierbahnen durch die Bankreihen, so dass nicht nur eine zusätzliche Geräuschebene entsteht, sondern alle Anwesenden ganz real einbezogen werden – durch eine Verknüpfung, die sich vom heutigen weltweiten Netz nur durch ihre Materialität unterscheidet. Ergänzend wird der Kirchenraum durch kaleidoskopartige Projektionen von Lou Mouw illuminiert, denen Videoaufnahmen der Jugendlichen zugrunde liegen. Die Musik ist dabei das verbindende Element, die das Geschehen zusammenhält, ohne sich in den Vordergrund zu drängen. Die Chorpartien, in die Schnebel einige vertraute Passagen („Vom Himmel hoch“, „Erhalt uns, Herr, bei deinem Wort“ usw.) einfließen lässt, werden von einer Version für zehnköpfiges Kammerensemble ergänzt, die Burger gemeinsam mit der Editorin Hanna Fink erarbeitet hat und die vom in der Raummitte positionierten Ensemble Crush interpretiert wird. Den Kindern und Jugendlichen und dem ganzen Team wäre zu wünschen, dass sie auch über die Petrikirche hinaus ausschwärmen können und sich Aufführungsmöglichkeiten an anderen Orten ergeben.
[Termine im Dezember]
Köln
In der Philharmonie stehen Werke von Thomas Adès am 2.12., von Bernd Alois Zimmermann am 14. und 15.12., von Hèctor Parra am 16., 17. und 18.12., das Ensemble Repercussion am 27.12. und die Philmusik am 12. und 16.12. auf dem Programm. In der Kunststation Sankt Peter erwarten uns die Dezemberimprovisationen am 2.12., Lunchkonzerte am 1., 8. und 15.12., Enso von Stefan Schönegg am 7.12., das kgnm-Musikfest am 15.12. und zum Jahreswechsel am 31.12. Werke von Hans-Joachim Hespos mit CD-Vorstellung. Die Musikfabrik lädt am 3.12. und 17.12. bei freiem Eintritt zu ihren Montagskonzerten in den Mediapark.
Markus Stockhausen zelebriert am 2.12. Klangmeditationen, in der Alten Feuerwache erklingen ebenfalls am 2.12. in der Reihe Computing Music aktuelle algorithmische Kompositionen, am 11.12. ist dort die reiheM mit Biblioteq Mdulair & Synkie zu Gast, in der Hochschule für Musik und Tanz stellen am 4.12. und 11.12. Studierende ihre Kompositionen vor, Kommunikation 9 bittet am 5.12. zum Blind Date, die Kunsthochschule für Medien präsentiert am 6.12. in der Reihe soundings Kaffe Matthews und am 11. und 12.12. ist im Bogen 2 gamut inc´s redrum, ein von Strindberg inspiriertes Musiktheater, zu erleben.Ruhrgebiet
Im Dortmunder Konzerthaus interpretieren Teodor Currentzis und das SWR Symphonieorchester am 18.12. Alfred Schnittkes Konzert für Viola und Orchester und im domicil steht am 13.12. Scott Fields' Beckett Project auf dem Programm.
Im Duisburger Opernfoyer widmet das Ensemble der Duisburger Philharmoniker Kunsu Shim am 7.12. anlässlich seines 60. Geburtstags ein Portraitkonzert, im Earport ist am 9.12. das Ensemble Crush zu Gast und am 8. und 9.12. findet ebendort ein Klangworkshop für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen statt.
Die Ausstellung Metamorphosen im Essener Forum für Kunst und Architektur endet am 2.12. mit eine Performance von Kunsu Shim und Gerhard Stäbler und in der Philharmonie hebt das Essener Jugend-Symphonie Orchester am 3.12. die Konzertouvertüre Hoch3 von Michael Walter aus der Taufe. In der Folkwang Hochschule stehen ein Portraitkonzert und ein Workshop mit José María Sánchez-Verdú am 3.12. und eine Abschlussperformance des Workshops Experimentelle Musik am 15.12. auf dem Programm und am 5., 12. und 19.12. wird die Ringvorlesung 'Musik und Performance im 21. Jahrhundert' fortgesetzt.
Düsseldorf
Am 9.12. steht der Sprachkünstler Phil Minton im Kunstraum Düsseldorf auf der Bühne, am 12.12. ist das Notabu-Ensemble mit seiner Reihe 'Na hör'n Sie mal!' in der Tonhalle zu Gast und am 14.12. feiert der Salon Neue Musik im Klangraum 61 Geburtstag.
Sonstwo
Elliott Sharps Walter Benjamin-Oper Port Bou ist vom 13. bis 16.12. in Bonn, Duisburg und Münster zu erleben. Sie befasst sich mit den letzten Stunden im Leben des Philosophen, der 1940 auf der Flucht vor den Nazis an der spanisch-französischen Grenze Selbstmord beging. Das Werk für einen Sänger und drei Musiker ist nach einer Aufführung in Berlin 2015 erstmals wieder in Europa zu hören.
Sountrips NRW schickt die Norwegerinnen Vilde Sandve Alnæs und Inga Margrete Aas vom 1. bis 8.12. nach Wuppertal, Münster, Düsseldorf, Essen und Bielefeld.
Die Reihe 'Hören und Sprechen über Neue Musik' der Gesellschaft für zeitgenössische Musik Aachen befasst sich am 7.12. mit Neuerscheinungen des Jahres.
Der Jour fixe der Bielefelder cooperativaneuemusik widmet sich am 3.12. Stefan Gwiasda und dem Beat Boxing.
Der Bonner Wortklangraum erwartet am 5.12. das Xenon Saxophon Quartet. Am 9.12. kommt im Theater Bonn Jonathan Doves Oper Marx in London zur Uraufführung und am gleichen Tag gastiert das Ensemble Tra i tempi im Theater im Ballsaal mit poems three – fragments.
In der Detmolder Hochschule für Musik werden am 1. und 2.12. die Aktivitäten rund um 20 Jahre HfM Percussion fortgesetzt.
Das Krefelder TAM, Theater am Marienplatz, befasst sich im Dezember jeweils freitags um 22 Uhr mit Sprachmusik von Krefelder Musikkritikern und Musikkritikerinnen und in ihrem dritten Sinfoniekonzert spielen die Niederrheinischen Sinfoniker vom 11. bis 14.12. in Krefeld und Mönchengladbach Philip Glass' Façades.
Die Gesellschaft für Neue Musik Münster präsentiert am 5.12. im Theater im Pumpenhaus EW-4, die elektronische Ausgabe des ARTE Saxophonquartett. In der Black Box stehen die Soundtrips NRW am 2.12., Elliott Sharps Walter Benjamin-Oper Port Bou am 14.12., das Klare-Punkt-Degenhardt-Trio am 16.12. und Klangerzählungen für Schlagzeug und Stimme am 23.12. auf dem Programm.
Die Plattform für Transkulturelle Neue Musik hat am 1.12. das Trio Mainz, Shahhosseini und Flaig nach Neuss eingeladen.
Im Wuppertaler ort erwartet uns neben den Soundtrips NRW am 1.12. und dem cine:ort am 13.12. das Alexander Schlippenbach Trio am 6.12.
Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
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