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Gewesen: Zeitinsel Kurtág in Dortmund – Gürzenich-Orchester mit Beethoven und Uraufführungen
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[Zeitinsel Kurtág in Dortmund]
Bereits
in den vergangenen Jahren widmete sich das Konzerthaus
Dortmund
in sogenannten Zeitinseln ausgewählten Komponisten
und Interpreten,
aber das diesmalige Unterfangen war etwas
Außergewöhnliches. Mit
György
Kurtág
stand ein noch lebender Komponist im Blickfeld, der
selbst in der an
eigenwilligen Persönlichkeiten nicht eben armen
zeitgenössischen
Musiklandschaft besonders ist – was sich sowohl in
der Begegnung
mit seiner Musik als auch seiner Person zeigt. Seine
Werke sind oft
fragmentarisch, schlicht, reduziert und gleichzeitig
elaboriert,
anspielungsreich und tiefgründig. Wenn er
händchenhaltend mit
seiner Frau Márta, mit der er bis zu ihrem Tod im
Oktober letzten
Jahres über 70 Jahre verheiratet war, am Klavier
saß, wirkten die
beiden anrührend und nah und gleichzeitig wie aus
einer anderen
Welt, zu der außer ihnen keiner Zugang hat. Kontakt
zur Außenwelt
nahm bzw. nimmt Kurtág offensichtlich vor allem über
seine Frau und
über seine Musik auf, was in vielfältigen Widmungen,
Hommagen und
Zuschreibungen zum Ausdruck kommt. Da er aufgrund
seines
fortgeschrittenen Alters nicht mehr reist, kam der
Dortmunder
Intendant Raphael
von Hoensbroech kurzerhand zu ihm nach Budapest
begleitet von
Benjamin
Appl und
einem Kamerateam. Der junge Bariton war von Kurtág
ausgewählt
worden, um mit ihm die Hölderlin-Gesänge
einzustudieren, ein Prozess an dem das Dortmunder
Publikum im Rahmen
eines Gesprächskonzertes und anhand der mitgebrachten
Filmsequenzen
hautnah Anteil nehmen konnte. Kurtág gilt als
ausgesprochen streng
und skrupulös, meist weiß er genau, was er will, und
wenn nötig
wird an wenigen Takten oder einem bestimmten Ausdruck
stundenlang
gefeilt, aber auch ein fragender Blick zu Márta oder
ein
entwaffnendes 'ehrlich gesagt, ich weiß es nicht' ist
möglich.
Überhaupt räumt Appl ein, dass der in der
Probensituation endlich
gefundene perfekte Moment in seiner Einzigartigkeit
letztlich nicht
reproduzierbar ist, so dass es mehr auf die
Vermittlung einer Haltung
als auf äußerliche Präzision ankommt. Diese Haltung
war bei der
zweimaligen Darbietung der Hölderlin-Gesänge
eindrucksvoll spürbar. Appl ist dabei weitgehend auf
sich gestellt,
unbegleitet bis auf einen kurzen Einsatz von Posaune
und Tuba im
dritten Gesang, mäandernd den 'Linien des Lebens'
folgend oder
gehetzt, stockend, fast erstickt, 'in äußerster Wut
und
Verzweiflung' jenes 'Pallaksch, Pallaksch'
hervorstoßend, mit dem
der alternde Hölderlin auf unliebsame Besucher
reagiert haben soll.
Zur Uraufführung überließ Kurtág Appl zwei weitere,
bereits 1996
komponierte Hölderlinlieder, die von Lebensüberdruss
(„Ich bin
nichts mehr, ich lebe nicht mehr gern“) und dem
Verlust der
Verständigungsmöglichkeiten handeln und angesichts des
Todes seiner
Frau eine besondere persönliche Tragik mit sich
führen.
Eine
ganz andere Art der Vermittlung wählten die
Sopranistin Caroline
Melzer
und die Geigerin Nurit Stark, deren Interpretation
der Kafka-Fragmente
von einer Videoinstallation begleitet wurde. Isabel
Robson
und Susanne Vincenz hatten sich hierfür per Eisenbahn
mit den
Musikerinnen von Berlin nach Kaliningrad auf eine
Reise begeben, die
sich im doppelten Sinne als Zeitreise erweist:
einerseits zu Kafka
und seinen schonungslosen Gedankenfetzen („Im Kampf
zwischen dir
und der Welt, sekundiere der Welt“), andererseits zu
einem von
überwucherten Gleisen und real sozialistischen
Speisegaststätten
geprägten, fremdartig-vertrauten untergehenden Kosmos.
Kurtág
benötigt eigentlich keine Visualisierung, aber die
gleichzeitig
beiläufige und von genauer Beobachtungsgabe zeugende
Bildsprache
fügt sich unaufdringlich ein und unterstreicht die von
feiner Ironie
und unerbittlicher Selbstanalyse durchdrungene
kafkaeske
Grundstimmung.
[Gürzenich-Orchester mit Beethoven und Uraufführungen]
Das Beethovenjubiläum hat sich natürlich auch François-Xavier Roth mit seinem Gürzenich-Orchester nicht entgehen lassen: Angeregt von Beethovens in Wien veranstalteten Akademie-Konzerten rief er gemeinsam mit Pierre-Laurent Aimard eine neue Akademie aus, die sich 'allein Freyheit' zur Richtschnur wählte. Dabei hatten die Zuhörer gleich zwei Irritationen zu gewärtigen: Neben und zwischen den vertrauten Tönen des Jubilars erklangen zeitgenössische Klänge, darunter auch zwei speziell für diesen Kontext entstandene neue Werke von Isabel Mundry und Francesco Filidei, und damit nicht genug wurde vorab kein Programm ausgehändigt, so dass das Publikum sich ohne Reling und Kursbuch den teils hoch aufschäumenden musikalischen Turbulenzen ausgesetzt sah. Normalerweise bin ich keine Freundin des 'wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen', für Beethovenenthusiasten kam zudem erschwerend hinzu, dass die gespielten Symphonien (Nr. 1, 4, 5, 7), Klavierkonzerte (Nr. 5.) und Klaviersonaten nur in einzelnen Sätzen, also quasi häppchenweise, zu Gehör kamen bis hin zu dem unglaublichen Sakrileg, dass die berühmt-berüchtigte, von allen Musikpäpsten heiliggesprochene Klaviersonate Nr. 32, op. 111 mittendrin abbrach. Doch trotzdem entstand daraus für mich ein stimmiges Konzept und ein genussvoller Konzertbesuch. Den Auftakt machte die Mondscheinsonate, die zunächst aus dem Off erklang, von Aimard auf der Bühne aufgenommen und von Paulo Alvares von der Seite sekundiert wurde. Die zwischen den Klavieren pendelnden vertrauten Töne wurden von einem diffusen Rascheln und Rauschen des Orchesters umspült, was sich anhand des nachträglich dann doch ausgehändigten Programmzettels als Isabel Mundrys erstes Orchesterfragment zu Beethoven entpuppte. Von diesen Fragmenten folgten noch vier weitere, die sich auf subtile Weise, meist zurückhaltend, gelegentlich grell aufblitzend, in jedem Fall sehr präsent, zwischen den Beethovenschen Solitären ausbreiteten und für stimmige Übergänge sorgten. Im Gegensatz dazu ging Francesco Filidei mit Quasi una bagatella frontal ans Werk, setzte an zur wilden Jagd, wüst und kauzig, mit lädierten Beethovenanklängen, die ordentlich durch den Wolf gedreht wurden. Bei beiden Uraufführungen stellte sich mir allerdings die Frage, ob und wie sie außerhalb des hier präsentierten Konzepts bestehen können, eine Frage, die sich bei den anderen beiden zeitgenössischen Werken erübrigt. Sowohl Helmut Lachenmanns Tableau für Orchester als auch Bernd Alois Zimmermanns Photoptosis stehen für sich und besonders letzteres entfaltet mit seinen bedrohlich anschwellenden Orgelkaskaden und apokalyptischen Orchestertutti eine existentielle Wucht, die sich hinter Beethoven nicht zu verstecken braucht. Das Gürzenich-Orchester war mit viel Herzblut und Energie bei der Sache und machte fast dem draußen aufziehenden Orkan Sabine Konkurrenz.
[Termine im März]
Köln
In der Philharmonie stehen Werke von Jörg Widmann am 2.3., von Wojciech Kilar am 6.3. und 7.3., von Vito Žuraj am 22.3. sowie Konzerte mit Magnus Holmander und David Huang am 8.3. und dem Arditti Quartet am 23.3. auf dem Programm. Die Alte Feuerwache kündigt Reviving the Tradition mit elektroakustischer Musik am 7.3., In Between Spaces, eine Kollaboration zwischen Musikern aus Europa und Afrika, vom 19. bis 22.3., das Ensemble Fake Music Association mit einer transdisziplinären Stimm-Sprach-Klang-Performance am 25. und 26.3. sowie das Musiktheater Jeder:Jederzeit vom 26. bis 29.3. an. Die Musikfabrik lädt am 2.3., am 9.3. und am 30.3. zum Montagskonzert in ihr Studio und in der Kunststation Sankt Peter erwarten uns neben den Märzimprovisationen am 1.3. und den Lunchkonzerten am 7., 14., 21. und 28.3. Saties Vexations im Rahmen der Langen Nacht der Kirchen am 13.3. sowie der Experimentalfilm Vulkaneifel musikalisch begleitet von Akiko Ahrendt am 20.3.. Am 12. und 24.3. gibt es Neues von der Plattform nicht dokumentierbarer Ereignisse, am 25.3. findet die nächste Soirée Sonique statt, in der Konzertreihe nomádes kommt am 28.3. in der japanisch-deutschen Kulturwerkstatt Tenri elektroakustische Musik zur Aufführung und beim nächsten 'Musik der Zeit'-Konzert des WDR am 29.3. wird ein neues Werk von York Höller aus der Taufe gehoben. ZAMUS experimentiert vom 21. bis 29.3. beim Fest für alte Musik unter dem Motto Early Music: Reload mit ungewöhnlichen Konzertformaten und lässt brandneue Auftragskompositionen auf Alte Musik treffen. Fast tägliche Events sind im Loft zu erleben (z.B. am 26.3. Kompositionen von Tom Johnson, Georg Katzer und Ralf Hoyer) , weitere Termine finden sich bei kgnm und Musik in Köln und Veranstaltungen mit Jazz und improvisierter Musik bei Jazzstadt Köln.
Ruhrgebiet
Die Bochumer Symphoniker spielen Galina Ustvolskayas Poem Nr. 2 für Orchester – am 15.3. in Bochum und bereits am 14.3. in der Festhalle Viersen.
Das Dortmunder Depot präsentiert am 7.3. Visual Sound, eine phantastisch humorvolle Licht-Schatten-Klangperformance mit dem Theater Parzelle. Das domicil kündigt Frank Niehusmanns elektroakustisches Musiktheater [...alles gut...] am 1.3., das Ensemble Consord am 12.3. und The Dorf am 19.3. an und im Konzerthaus steht Raminta Šerkšnytės De Profundis für Streichorchester am 21.3. und ein Orgelkonzert mit Vincent Dubois am 26.3. auf dem Programm.
Im 7. Kammerkonzert der Duisburger Philharmoniker am 15.3. sind das delian::quartett und Measha Brueggergosman mit Werken von Aribert Reimann und Francesco Filidei zu hören und im 8. Philharmonischen Konzert am 25. und 26.3. erklingt Anthology of Fantastic Zoology von Mason Bates.
Die Musikfabrik kommt am 29.3. wieder nach Essen in den PACT Zollverein.
Düsseldorf
Vom 6. bis 8.3. findet das TIN-Festival für improvisierte Vokalmusik statt. Dabei erwartet uns am 7.3. die Uraufführung eines Werkes von Markus Stockhausen, der als Schirmherr fungiert. Das Notabu-Ensemble richtet am 6.3. in der Tonhalle die Ohren auf Island und beim nächsten Salon Neue Musik im Klangraum 61 spielt und erläutert Martin Tchiba am 28.3. seine komponierten Konzertprogramme für Klavier.
Sonstwo
Auf Einladung von Soundtrips NRW trifft die japanische Musikerin Rieko Okuda vom 26.2. bis 4.3. in Wuppertal, Köln, Duisburg, Köln, Münster, Essen, Düsseldorf und Bielefeld auf wechselnde Gäste. Weitere Termine mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
Die Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik präsentiert am 6.3. aktuellen Jazz mit dem Mathias Haus Quartett und widmet sich am 13.3. in der Reihe 'Hören und Sprechen über Neue Musik' der finnischen Komponistin Kaija Saariaho.
Beim nächsten Jour fixe der Bielefelder cooperativa neue musik am 2.3. begibt sich Chris Jones auf eine hauntologische Reise (mit Drähten), in der Zionskirche erwarten uns ein Orgelkonzert mit Musik von John Cage, Earle Brown und Philip Glass am 15.3. und ein Cellokonzert mit Werken von György Ligeti und Giya Kancheli am 22.3. und im kleinen Saal der Rudolf-Oetker-Halle gastiert am 23.3. das Ensemble Horizonte mit mythischen Momenten.
Im Bonner Dialograum Kreuzung an Sankt Helena stehen am 1.3. eine Klangperformance und am 4.3. der Wortklangraum mit einem Konzert für Bratschen und Rezitation auf dem Programm. Ebenfalls am 4.3. präsentiert die In Situ Art Society in der St. Josef Kirche das Heiner Rennebaum Doppelquartett. Am 7.3. ist das Beethoven Orchester bereits zum dritten Mal an einem ungewöhnlichen Ort, nämlich im Bonner BaseCamp, zu erleben und auch das Beethovenfest hat in seiner Frühjahrssaison Zeitgenössisches zu bieten. Zu Gehör kommen Werke von Hugues Dufourt am 13.3., von Salvatore Sciarrino am 14.3., von Enno Poppe am 17.3., von Bernhard Lang am 20.3. und von Vladimir Tarnopolski am 22.3. Im Frauenmuseum findet am 15.3. ein GEDOK-Konzert mit einer Collage über Ludwig van Beethoven und Mauricio Kagel statt und am 31.3. kommt Christina Cordelia Messners Requiem ohn warum in der Namen Jesu Kirche zur Uraufführung (Folgeaufführung am 1.4. in der Kunststation Sankt Peter in Köln).
Die Detmolder Klangwerkstatt kündigt am 6.3. den Mythos Notre Dame mit dem Vokalensemble der Martin-Luther-Kirche und dem Ensemble Horizonte und am 25.3. Der Vogel als Prophet mit Musik u.a. von Messiaen, Schumann, Fukushima, Vasks, Mabarak und Murail an.
Im Krefelder TAM kann man jeweils freitags auditive Poesie von Gerhard Rühm erleben.
In der Black Box in Münster erwarten uns neben den Soundtrips NRW mit Rieko Okuda am 1.3. Konzerte mit Jazz und improvisierter Musik und im Theater finden im März weitere Aufführungen der Oper Der Untergang des Hauses Usher von Philip Glass statt.
Irene Kurka stellt am 22.3. in Orsoy am Niederrhein ihr Programm zu Hildegard von Bingen und John Cage vor.
Der Wuppertaler ort kündigt den cine:ort am 5.3. und ein Konzert mit dem Duo Flux am 28.3. an und unter dem Dach der Sophienkirche ist am 21.3. Phobos XI, das Dark Ambient Festival mit Atomine Elektrine, Nam-Khar, Aidan Baker und Ex.Order zu erleben.
Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
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