Wenn
diese Gazette in ihrem Mailprogramm nicht korrekt angezeigt
wird,
können Sie sie auch hier lesen:
https://kulturserver-nrw.de/de_DE/gazette-neue-musik-in-nrw-ausgabe-august-2022
August
2022
Gewesen:
Klangraum Wandelweiser in Düsseldorf
Angekündigt: EarFest in
Duisburg – Tagesfestival für aktuelle Musik in
Essen-Borbeck – Auftakt Ruhrtriennale u.v.a.m.
(möchten
Sie diese Gazette monatlich neu per E-Mail erhalten?
Dann senden Sie bitte eine Mail an
neuemusik-join@list.kulturserver-nrw.de
)
[Klangraum
Wandelweiser in Düsseldorf]
Während
viele urlaubssehnsüchtig der Stadt den Rücken zuwenden, zieht es
ein kleines Häuflein jeden Sommer nach Düsseldorf, um mit Antoine
Beuger zwei Wochen lang auf dem ehemaligen
Jagenberggelände die
Räume der Jazz-Schmiede und des Neuen Kunstraums zu bespielen.
Man
sieht immer wieder dieselben Gesichter und immer wieder ein paar
neue, auch weite Anfahrten (aus Kanada, Argentinien und
Australien)
werden in Kauf genommen und so genau weiß keiner, was das hier
ist:
Workshop, Exerzitium, Performance, Konzert, Residency,
Sommercamp,
Familientreffen? Womöglich bin ich unter den Anwesenden die
Einzige,
die nicht irgendwie mitwirkt, ein Instrument, einen Text oder
ein
Konzept im Gepäck hat, sondern einfach nur da ist. Mal nicht
entscheiden, verantworten, erklären, verstehen müssen, das darf
auch sein und so sind die beiden sommerlichen Wandelweiserwochen
(hier
und hier)
für mich Urlaub und Therapie zugleich – zumal das Thema Tod und
Vergänglichkeit, das schon im letzten Jahr sehr präsent war (s.
Gazette
September 2021), mich weiterhin nicht loslässt.
Unwillkürlich
denke ich an verrinnende Zeit, wenn ich vor Bernd
Blefferts drei großen Trichtern sitze, aus denen ein
kontinuierlicher feiner Sandstrom rieselt. Hörbar wird dieser
jedoch
erst, wenn wie kleine Trommeln bespannte Röhren in den Strahl
gehalten werden und das stille Rieseln und Rinnen in feines
Rauschen
verwandeln. Durch die unterschiedliche Größe der Objekte
entstehen
verschiedene Tonhöhen, die sich zu einem komplexen Klang
vereinen.
Es ist wie im Leben, erst durch Kontakt, ob Begegnung oder
Hindernis
oder beides zugleich, entsteht ein Resonieren, entsteht eine
Form,
scheint das Verrinnen einen Moment lang innezuhalten.
Das
Resonieren, das Miteinander- und Aufeinanderhören spielt eine
große
Rolle. Meistens wird den Ausführenden viel Freiraum gelassen. So
in
Katie Porters mazes.2, denen labyrinthartige graphische
Vorlagen zugrunde liegen. In einigen tauchen einzelne Töne oder
kleine Motive auf, die sich als wiederkehrende Momente wie
Gedächtnisspuren bemerkbar machen – ein ruhiges Mäandern, in dem
Klänge und Geräusche, diskrete und gehaltene Töne auf
selbstverständliche Weise zusammenkommen. In diesem scheinbar in
sich geschlossenen Kosmos gibt es stets kleine Ritzen, durch die
die
Welt hereinrieselt: Auch eine zerquetschte Plastikflasche ist
als
Mitspielerin willkommen. Marie-Cécile
Reber lässt sich in ihren Soundarbeiten von
Naturgeräuschen
inspirieren, so dass man sich plötzlich einem imaginären Schwarm
von Insekten ausgesetzt fühlt, so unmittelbar, dass man sie zu
spüren meint, und so irreal, dass man sich ihrer nicht erwehren
muss, sondern sich ihrem Summen und Sirren ohne Vorbehalte
ausliefern
kann. Bei Helga Fanderl
summt
nur der Filmprojektor. Mit einer Handkamera entstehen kurze
Super-8-Filme ohne Ton, die sie grundsätzlich nicht
nachbearbeitet
und zu Programmfolgen verbindet. Es sind Kleinodien des Alltags,
im
Wasser tollende Hunde, spielende Kinder, rinnendes Wasser,
glitzerndes Laub, kurze Szenen, die nichts erzählen wollen und
keine
komplizierten Geschichten transportieren, die vom puren Sehen
ablenken könnten. Die Geräusche entstehen im Kopf. Durch die
anachronistische Technik schwingt ein nostalgischer,
melancholischer
Grundton mit, der auch James
Creeds lomond durchzieht. Er hat ein altes
schottisches
Volkslied gewissermaßen in die Vertikale gekippt. Die Melodie
wird
zu einem kleinen Paket zusammengefaltet, einem pocket-sized,
neat
parcel, das von den Musikern behutsam wieder ausgepackt wird.
Dabei
entsteht ein sanfter Strom ineinandergleitender Töne, die sich
wie
ein Tuch über den Raum legen, ein harmonisches Gefüge, vertraut
und
doch ungreifbar – wie ein Traum oder eine Erinnerungsspur, die
ganz
nah und präsent ist und doch entgleitet, wenn man ihrer habhaft
werden will. „It's the song on pause and play at the same time.“
Das
Ganze kann allen Realitätsritzen zum Trotz den Eindruck eines
elitären Refugiums erwecken, aber Lörinc Mutang sieht gerade
hierin
das Politische, weshalb er seine ungewöhnliche Versuchsanordnung
politika nennt. Alle Anwesenden erhalten einen
ungarischen
Text ausgehändigt, den sie gemeinsam rezitieren sollen – teils
nur
in Bruchstücken teils als mehrstimmigen Lektürestrom. Da es sich
ausdrücklich nicht um Muttersprachler handeln soll, weiß keiner,
was er hier von sich gibt. Es könnte sich um hohe Poesie oder
niedriges populistisches Getöse handeln, wie man es zurzeit
leider
nur zu sehr mit Ungarn verbindet. Es geht darum zu vertrauen,
sich
auf unbekanntes Gelände zu wagen, innezuhalten und zuzuhören;
gerade nicht – wie in der Politikarena üblich – einander zu
übertönen, sondern sich zurückzunehmen und behutsame Akzente zu
setzen, die gerade dadurch ihre Wirkung entfalten. Wer leise
ist,
wird hellhörig für sich und andere, auch für das Ungewohnte und
Fremde. Der niederländische Schauspieler Joep
Dorren hat Freunde eingeladen, Texte auszuwählen,
vorzugsweise
aber nicht nur von Rumi, dem persischen Sufi-Mystiker, und
gemeinsam
mit je eigenen Mitteln zu interpretieren. Christoph Nicolaus
versetzt
mit seiner Steinharfe den Raum in vibrierendes Schwingen, die
Filmkünstlerin Els van
Riel
lässt die Worte über Vorhänge und Wände gleiten, Rasha
Ragab gibt ihnen ihre Stimme; jeden Tag entsteht etwas
Neues,
irgendwann sind alle mit im Boot. Auch im Quartett mit dem
Bassklarinettisten Lucio Capece und dem Kontrabassisten Werner
Dafeldecker umkreisen Ragab und Nicolaus Rumi-Texte: mercy
is
called down by mercy to the last. Wenn sich die satten,
warmen
Klänge der Bassklarinette und des Kontrabasses in das dunkle
Vibrieren der Steinharfe einschreiben, wird dies zu einem mit
allen
Sinnen spürbaren Ereignis. Der Raum ist nicht länger ein Außen,
eine leere Form, die gefüllt wird, auch keine Form der
Anschauung,
sondern eine Form der Empfindung, der Körperwahrnehmung.
[Termine
im August]
Köln
Die
Musikfabrik
präsentiert
am 13.8.
eine Uraufführung von Gordon Kampe, am 19.8.
Erstaufführungen estnischer Komponistinnen und am 31.8.
crossmediale
Werke von Brigitta
Muntendorf und Michael
Beil (hier
und hier).
In der Alten Feuerwache
erwarten uns Concepts
of Flow mit der Y-Band
am 14.8., das Ensemble
Garage
am 19.8. und das Ensemble Consord am 21.8. Die reiheM
lädt Adi Gelbart am 11.8.
ins Gewölbe und lässt Marisa Anderson & William Tyler am
31.8. die Poller
Wiesen
bespielen. In der Kunststation
Sankt Peter sind Ryoko Aoki mit japanischem Noh-Gesang am
12.8.
und das Ensemble Horizonte am 24.8. zu Gast. Im Kunstraum Dorissa
Lem
interpretiert Michael Denhoff
am
21.8. neben eigenen Werken Musik von Bernd Alois
Zimmermann und György Kurtág, als Nachklang zum Achtbrückenfestival
erklingt am 27.8.
Stockhausens Sternklang
im Brühler Schlossgarten und in der Philharmonie
steht am 31.8.
Kaija Saariahos Orion
auf dem Programm. Unter dem Titel Kryptologgia
findet am 6. und 13.8. ein Musikprojekt statt, das den Klang der
Krypta von Neu Sankt Alban erkundet.
Im Loft
geht es am 12.8. weiter – vor allem im Rahmen der Cologne
Jazzweek.
Weitere
Termine und Infos finden sich bei kgnm,
Musik
in Köln
und ON
– Neue Musik Köln
sowie Veranstaltungen
mit Jazz und
improvisierter Musik bei Jazzstadt
Köln.
Ruhrgebiet
What
comes mex?
fragt eine Ausstellung, die sich mit 30 Jahren Krach im
Künstlerhaus
Dortmund
befasst und am 26.8. mit einer Konzert-Performance eröffnet.
Das
Depot
präsentiert vom 20. bis 27.8. das Audio
Depot mit experimentellen
Collagen,
dokumentarischen Hörstücken, live vertonten Lesungen, Sound- und
Klangexperimenten und explorativen Rundgänge. Unter anderem hält
Achim Zepezauer einen Vortrag zum Thema „Die Stimme in der
experimentellen Musik“. Gleichzeitig veranstaltet Parzelle,
der Verein für interdisziplinäre Kulturprojekte, vom 25. bis 28.8.
das Visual
Sound Outdoor Festival.
Der Duisburger EarPort
lädt vom 26. bis 28.8. zum EarFest Sommer 2022 ein und parallel
dazu
findet das Platzhirschfestival
statt – u.a. mit Tomeka
Reid, aktuell improviser in residence des Moers Festivals,
und
einem Quintett um Jan
Klare.
Die Gesellschaft
für Neue Musik Ruhr kündigt für den 6.8. ein Tagesfestival
für aktuelle Musik in Essen-Borbeck an und in der Essener
Philharmonie
erklingt am 30.8.
Ligetis Lontano für großes Orchester.
Am 11.8. startet die Ruhrtriennale
in die nächste Runde. Gleich zum Auftakt hat Ich
geh unter lauter Schatten mit
Musik von Grisey, Vivier, Xenakis und Scelsi Premiere und am
31.8.
folgt die szenische Uraufführung des Instrumentalzyklus Haus
von Sarah
Nemtsov. Außerdem stehen ein Konzert mit dem Klangforum
Wien
unter dem Titel Organicum
am 14.8., die Avandgarde-Band black
midi am 17.8. und Yuen
Shan, Michael Rantas
Komposition für Schlagwerk und achtkanaliges Tonband, am 28.8.
auf
dem Programm.
Düsseldorf
Die
Düsseldorfer Symphoniker eröffnen die neue Spielzeit am 26.8.
in der Tonhalle mit
Lutoslawskis Tanzpräludien für Klarinette und Orchester
(Folgeaufführungen am 28. und
29.8.).
Sonstwo
Die
Soundtrips NRW
schicken vom
25.8. bis 4.9. Paulina
Owczarek und Federico
Reuben durch die Lande. In Wuppertal, Gelsenkirchen,
Dortmund,
Duisburg, Essen, Bonn, Düsseldorf, Köln, Bielefeld, Bochum und
Münster treffen sie auf wechselnde Gäste.
Das Cooperativa
Ensemble der
Bielefelder Cooperativa
Neue Musik feiert am 23.08. den Abschluss einer dreijährigen
Förderung durch das Land NRW.
Dominik
Susteck interpretiert am 14.8.
in der Mönchengladbacher Citykirche sein Orgelwerk Zeichen.
Am 20.8.
ist das Ensemble Consord in der Musikhochschule
Münster zu Gast.
Das Studio
für Neue Musik der Universität Siegen kündigt
für den 4.8.
Musik und Performance zur Eröffnung einer Ausstellung mit Werken
von
Renate Hahn in
der Städtischen Galerie Haus Seel an.
In
Solingen
erwarten uns am 5.8.
Transformationsprozesse im musikalischen, bildnerischen
und
performativen Raum.
Im
Wuppertaler
ort steht neben
den Soundtrips NRW
am 25.8.
in der Reihe 'all female' am 16.8.
die Pianistin Marlies
Debacker
auf dem Programm.
Termine
mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
Zu
den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Wenn
Sie die Gazette nicht mehr erhalten möchten, senden
sie bitte eine
Mail an:
neuemusik-leave@list.kulturserver-nrw.de
Impressum:
Konzept,
Redaktion & Umsetzung: Petra Hedler
neuemusik@kulturserver-nrw.de
Partnerprojekt
der Stiftung kulturserver.de gGmbH
Lothringerstr. 23
52062
Aachen
http://ggmbh.kulturserver.de
redaktion@kulturserver.de