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August
2020
Gewesen:
Wandelweiserklangraum in
Düsseldorf
Angekündigt:
Concertini der
Musikfabrik,
Orgelimprovisationen und Chamber Remix in Köln –
KlangAkzente in
Duisburg – Sommerkonzerte in Hombroich – Irene Kurka mit
Cage in
Orsoy
Antoine
Beuger war von Anfang an zuversichtlich, dass der
sommerliche
Wandelweiserklangraum
trotz Corona stattfinden würde und er hat zum Glück recht
behalten.
Zwar gab es im Vorfeld einige Absagen, da die Anreise aus
nichteuropäischen Ländern nach wie vor schwierig ist, aber es
ist
ihm gelungen, die Lücken zu schließen. Wie in den Vorjahren gibt
es
zwei Wochen lang ein durchgehendes Programm, bei dem die
Beiträge
nach einem rotierenden Modus täglich wiederholt werden und so
immer
wieder neu, teils in modifizierter Form erlebt werden können.
Das
Ergebnis präsentierte sich noch reduzierter und entschleunigter
als
in den Vorjahren und passte damit hervorragend in die
gegenwärtige
Situation.
In
Mark Hannessons
ca.
zwanzigminütigem undeclared
sind es fragile Klangsetzungen, die der Gitarrist René
Holtkamp in
den Raum schickt. Behutsam, zaghaft, ungreifbar. Es war fast
ein
Schock für mich, im Nachhinein zu erfahren, dass das Werk sich
auf
einen Dronenangriff in Pakistan bezieht, bei dem am 20.
Oktober 2006
über 80 Zivilisten, die meisten von ihnen Kinder, ums Leben
kamen.
Natürlich stellt sich sofort die alte Frage: Darf, kann, soll,
muss
man das? Ist es angemessen und zulässig, den weit entfernten
Horror
in unseren geschützten Kunstraum zu transferieren? Hannesson
antwortet darauf: 'It is necessary.' Letztlich muss sich diese
Frage
jeder selbst beantworten, aber wenn man sich darauf einlässt,
entsteht ein Gefühl für die Verletzlichkeit, Vergänglichkeit,
Hilflosigkeit, die dem Leben immer und überall innewohnt.
Gerade die
aktuelle Situation bringt uns die Brüchigkeit
gesellschaftlicher und
persönlicher Verhältnisse nachdrücklich ins Bewusstsein und
trotzdem macht es einen Unterschied, sich dabei an einem Ort
zu
befinden, der im Ernstfall 77 fein säuberlich gezählte
krankenkassenfinanzierte Intensivbetten (Düsseldorf Stand
27.7.) für
mich bereithält!
Mit
expanding
time
betreten wir uneingeschränkt wohlige Gefilde: Christoph
Nicolaus' magische Steinharfen, Normisa
Pereira da Silvas Bassflöte, Burkhard
Wehners mittelalterliche Gesänge und Rasha
Ragabs Sufirezitationen tauchen den Raum in eine sakrale
Atmosphäre. Musiker und Publikum sind im Raum verstreut, jeder
für
sich und doch eng verbunden. Bei den Steinharfen handelt es sich
um
Granitblöcke mit tiefen Einschnitten, denen durch Berührungen,
die
wie sanftes Streicheln wirken, sphärische, vibrierende Klänge
entlockt werden. Diese scheinen von überall herzukommen und sind
nicht nur mit den Ohren sondern mit dem ganzen Körper erlebbar –
eine wahre Klangmassage.
Bei
Max Bobers we
have time
konnten
alle Anwesenden mitwirken. Zitate aus Margaret Atwoods The
Handmaid’s Tale
und kleine Notenpartikel wurden ausgehändigt und jede und
jeder war
eingeladen, sich nach eigenem spontanem Empfinden an einer
kollektiven Lesung zu beteiligen, bei der es jedoch auch um
Innehalten, Zuhören, sich Zeitnehmen geht. So entstand ein
Gespinst
aus Satzfragmenten, Tönen, Worten, die ein neues Gewicht, eine
andere Wertigkeit, einen eigenständigen Klang annehmen; ein
Netz aus
Worten, Klängen und Menschen, das es ermöglicht, gleichzeitig
ganz
bei sich zu sein und mit anderen mitzuschwingen.
Wie
in den Vorjahren gab es Ausflüge in den visuellen Bereich. Sabine
Schall zeigte eine aktuelle Auswahl ihrer
Farbfeldarbeiten, die
durchscheinend oder in mehrfacher Schichtung, offen oder
geschlossen,
auf nichts als sich selbst verweisen. Els
van Riel
widmet sich in ihrem Film FUGUE,
A
Light's
Travelogue dem Wesen des
Lichts, indem sie in mehrfach überblendeten
assoziativen Bildern dem Weg seiner Erforschung nachspürt und
dabei
deutlich macht, dass dem über Jahrtausende akkumulierten
Wissen zum
Trotz unser Wunsch, den Phänomenen auf den Grund zu kommen,
letztlich unerfüllt bleibt.
Und
natürlich gab es jene wunderbaren Wandelweisermomente, in
denen
nichts oder fast nichts geschieht. Zum Beispiel wenn Antoine
Beuger
ein Werk von Anastassis Philippakopoulos ohne Instrument nur
mit
einem zartem Pfeifen interpretiert – das sich auch noch
gegenüber
den stets gegenwärtigen von außen herein dringenden
Umgebungsgeräuschen durchsetzen muss – oder eine Stimmgabel
immer
und immer wieder über ein Blatt Papier gleiten lässt und ihr
dabei
einen kaum hörbaren Klang entlockt. Letzteres ist seine
Version von
La Monte Youngs composition
1960 #5
und folgt der Anweisung 'draw a straight line and follow it'.
Die zweite
Wandelweiserwoche findet vom 28.7. bis 2.8. statt und hat
unter
anderem Eva-Maria Houben,
Irene Kurka und Christoph
Korn zu Gast.
Ansonsten
bleibt das Veranstaltungsangebot im August weiterhin
überschaubar.
In der Kölner
Kunststation
Sankt
Peter erklingen am 2.8. Orgelimprovisationen und beim
Chamber
Remix in der Kunsthaus Rhenania Halle
am 15.8.
werden das Trio Hayden Chisholm / Philip Zoubek / Sebastian
Gramss
und der Live-Elektroniker Alex Gunia erwartet. Die Musikfabrik
hat ihr nächstes WDR-Konzert leider verschoben, setzt dafür aber
ihre Concertinireihe fort, und am 26.8. findet im Lutherturm
eine
Soirée Sonique
mit
Johannes S.
Sistermanns statt.
Im Duisburger Earport
sind vom 28. bis 30.8. KlangAkzente,
drei
KurzKonzerte zu einer Ausstellung von Kunsu Shim, zu erleben.
In
Hombroich
finden Sommerkonzerte
statt: am 2.8. mit dem Violinduo
Rostislav Kozhevnikov & Barbara Streil
und am 23.8. mit dem auf zeitgenössische und experimentelle
Musik
spezialisierten Kollektiv3:6Koeln und Irene
Kurka stellt am 22.8. ihr Programm mit Werken von
Hildegard von
Bingen und John Cage in Orsoy
am Niederrhein vor.
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