(möchten Sie diese Gazette monatlich neu per E-Mail erhalten? Dann senden Sie bitte eine Mail an neuemusik-join@list.kulturserver-nrw.de )
Oktober 2020
Gewesen:
Musikfabrik in der
Philharmonie
Köln – Kagels Staatstheater
in Bonn
Angekündigt:
NOW!-Festival
in Essen – In Front-Festival in Aachen – Hörfest in
Detmold –
Nachschlag zu den Wittener Tagen für neue
Kammermusik u.v.a..m.
Normalerweise
ist die Musikfabrik
mit einer eigenen Reihe beim WDR zur Untermiete,
aber die
Abstandsregeln lassen sich in der Kölner
Philharmonie besser
einhalten. Am 21.9. war sie dort zu Gast und hatte
gleich zwei
Uraufführungen im Gepäck. Michel
van der Aa
ist ein umtriebiger, smarter Bursche. Er hat nicht
nur Komposition
studiert sondern auch eine Ausbildung als
Toningenieur und ein
Studium an der New York Film Academy absolviert,
mit Peter Greenaway
zusammengearbeitet und eine eigene
Produktionsfirma für
zeitgenössische Musik gegründet. Entsprechend
vielfältig sind
seine Einsatzgebiete: Nicht nur als Komponist
sondern auch als
Drehbuchautor und Regisseur ist er aktiv, beim
Essener NOW!-Festival
war 2017 seine 3D-Filmoper
Sunken Garden
zu erleben, eine Virtual-Reality-Installation
gehört ebenfalls zu seinem Portfolio und vor kurzem hat er mit
Kate
Miller-Heidke, Teilnehmerin des Eurovision Song Contest 2019,
ein
Indie-Pop-Album veröffentlicht. Bei dieser Vielseitigkeit, die
sich
vor allem technisch stets am Puls der Zeit bewegt, erstaunt es
–
oder vielleicht auch nicht – dass die Musik als solche recht
konventionell daherkommt, so geschehen in seinem neuesten Werk
Shades
of Red. Der Titel
weckt alle
möglichen Assoziationen: Rot verheißt Liebe und Lust – graue
Schatten wabern im Hintergrund – aber auch Wut und
Aggression, in
jedem Fall Energie und aufschäumende Emotionen. Tatsächlich
zwirbeln sich die Instrumente in teils dramatische
Turbulenzen oder
stürzen sich in unergründliche Abgründe, Keyboard und
Elektronik
sorgen für einen gewissen Verfremdungseffekt – aber fremd im
Sinne
von neu und unerhört ist da nichts. Das Werk dient als
Fingerübung
für van der Aas neue Filmoper,
die in die unendlichen Weiten der Grundfragen der Menschheit
vorstößt
und 2021 in Köln als deutsche Erstaufführung zu erleben sein
wird.
Man darf gespannt sein, aber manchmal habe ich den Eindruck,
dass bei
all diesem multimedialen Crossover-Aktionismus die
musikalische Ebene
nur noch als vernachlässigenswerter Beifang fungiert – so
dass man
notfalls auch gepimpte Ladenhüter verwenden kann.
Von
ganz anderem musikalischen Kaliber ist Georges
Aperghis, mit dem van der Aa immerhin gemein hat, das
beide mit
dem Mauricio-Kagel-Preis
der Kulturstiftung NRW ausgezeichnet wurden. Zur
Uraufführung kam
die erweiterte Fassung seiner Intermezzi,
die mir gleich irgendwie bekannt vorkam – und tatsächlich:
Wie mir
ein besonders aufmerksamer Neue-Musik-Hörer verraten hat,
waren
Vorläufer davon schon mehrfach im Einzugsbereich der Gazette
zu
hören. U.a. beim WDR-Konzert der Musikfabrik im Februar 2019
und
beim NOW!-Festival im gleichen Jahr. Aperghis hat im Vorfeld
eng mit
jedem einzelnen Musiker zusammengearbeitet, dessen
Vorlieben,
Fähigkeiten und Eigenarten erkundet, daraus individuelle
Porträts
destilliert und zu einem heterogenen Ganzen geformt. Das
Ergebnis ist
eine spannende Gruppendynamik mit immer neuen Wendungen. Mal
scheinen
die Streicher gegen die Bläser anzutreten, mal entsteht Raum
für
Soli, der – zum Beispiel vom Pianisten – hektisch ausgefüllt
wird, als fürchte dieser – zu Recht – schon bald von neuen
Klangturbulenzen hinweggespült zu werden. Sprache spielt wie
fast
immer bei Aperghis eine wichtige Rolle, Texte werden in die
Instrumente gesprochen oder frei, doch meist genauso
unverständlich
rezitiert. Die Inhalte sind nicht entscheidend, aber die
Musiker
verlassen damit ihr angestammtes Ressort, begeben sich auf
ungewohntes schwankendes Terrain und wirken gerade dadurch,
jenseits
des üblichen Perfektionismus, greifbar und verletzlich. Der
Kontrabassist scheint sich bei seinem Solo selbst anzufeuern
und auch
ohne Worte schwingt Ausdruck mit, so zum Beispiel wenn der
Schlagzeuger die Waldteufel animalisch brüllen lässt.
Aperghis hat
nach eigener Aussage ganz bewusst darauf verzichtet, das
Heterogene
zu vereinheitlichen und sich stattdessen der Eigendynamik
des
Materials überlassen. Das ist Stärke und Schwäche zugleich,
das
Stück scheint manchmal auszufransen, hat Längen und wirkt
gelegentlich sogar unbeholfen. Doch genau daraus entsteht
eine neue
Qualität, die jenseits der makellosen Interpretationen
angesiedelt
ist, wie man sie normalerweise von einem Ensemble wie der
Musikfabrik
erwartet und gewöhnlich auch geliefert bekommt, und die
gerade
dadurch berührt.
Köln
In
der Philharmonie
stehen Thomas Adès am 4.10.
und 5.10.,
Beethoven recomposed mit dem Musikerkollektiv
stargaze am 7.10.,
Wolfgang Rihm am 10.10.,
Vito Žuraj am 11.10.,
die 10. Sinfonie
konzipiert von Novoflot am 14.10.,
Luciano Berio und Marko Nikodijevic am 18.10.,
Martin Grubinger am 19.10.,
Chaya Czernowin am 21.10.
(als Nachholkonzert des Achtbrücken-Festivals)
und 'Musik
der Zeit' mit dem WDR
Sinfonieorchester am
30.10.
auf dem Programm.
Die Kunststation
Sankt Peter kündigt Lunchkonzerte am
3. und
10.10., Orgelimprovisationen am 4.10., das Posaunen-Ensemble
Bone-Crusher am 8.10., ein Konzert für Flöte und Klavier am
9.10.,
das Trio Abstrakt am 14.10.,
das E-Mex Ensemble
und Friedrich Gauwerky am 21.10., die orgel-mixturen und ein
Konzert
des Frauenkulturbüros am 24.10., Leonard Huhn am 30.10.
sowie als
weiteres Nachholkonzert des Achtbrücken-Festivals
am 17.10.
das Trio
Catch mit einer Reise durch das
Weltall an.
Ruhrgebiet
Am 3.10. spielt die Musikfabrik im Rahmen von BTHVN2020 im Bochumer Anneliese Brost Musikforum Hans Zenders 33 Veränderungen über 33 Veränderungen (2011/19), eine komponierte Interpretation von Beethovens Diabelli-Variationen.
Im Duisburger Earport kommen am 18.10. Werke ukrainischer Komponisten zu Gehör.
In der Essener Philharmonie erklingen am 11.10. Werke von Ligeti, Veress und Hamary und am 29.10. startet das NOW!-Festival, das in diesem Jahr unter dem Motto 'Von fremden Ländern und Menschen' steht. Zum Auftakt sind u.a. die Musikfabrik und das WDR Sinfonieorchester zu Gast.
Im Rahmen des Klavierfestival Ruhr spielt Pierre-Laurent Aimard am 5.10. in der Stadthalle Mülheim Musik von Stockhausen, Messiaen und Beethoven.
Düsseldorf
Beim IDO-Festival steht auch Zeitgenössisches auf dem Programm, z.B. Werke von Hauke Jasper Berheide und Vincent Stange am 2.10., Uraufführungen von Gerhardt Müller-Goldboom und Oskar Gottlieb Blarr am 28.10., Musik für Orgel und Bläser am 3.10., sowie für Orgel und Violine am 30.10. In der Tonhalle spielt das Notabu-Ensemble am 6.10. neue Werke Düsseldorfer Komponisten und Musik21 veranstaltet am 25.10. in der Jazzschmiede zwei Konzerte in der Reihe New Counterpoints.
Sonstwo
Soundtrips NRW schickt wieder internationale Musiker durch die Lande. Vom 30.9. bis 10.10. gehen der Perkussionist Michael Zerang und die Stimmkünstlerin Irena Tomažin auf Tour und vom 30.10. bis 8.11. Achim Kaufmann & Ignaz Schick mit Stationen in Aachen, Bielefeld, Bochum, Bonn, Duisburg, Düsseldorf, Essen, Hagen, Köln, Münster, Oberhausen und Wuppertal. Weitere Termine mit Jazz und improvisierter Musik finden sich bei Nrwjazz.net.
Vom 1. bis 3.10. veranstaltet die Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik das In Front-Festival mit dem Duo Klaro, dem David Helbock Trio, dem Neue Musik Ensemble Aachen und dem Duo Two Envelopes. Außerdem befasst sich die Reihe 'Hören und Sprechen über Neue Musik' am 9.10. mit Horatiu Radulescu und am gleichen Tag ist Soundtrips NRW zu Gast.
Der Jour fixe der Bielefelder cooperativa neue musik widmet sich am 5.10. vokaler Kammermusik von Adriana Hölszky und in der Rudolf-Oetker-Halle stehen am 21.10. Aly Keïta, Jan Galega Brönnimann und Lucas Niggli auf der Bühne.
Der Bonner Wortklangraum hat am 7.10. Paulo Álvares und Sergej Maingardt eingeladen und die Ausstellung Raum ist Partitur im Künstlerforum Bonn endet am 25. und 26.10. mit Konzertveranstaltungen. Die In Situ Art Society präsentiert die Soundtrips NRW am 1.10. und das Duo Tombak/Trumpet zusammen mit dem Kölner Pianisten Philip Zoubek am 10.10.
Das 11. Detmolder Hörfest nimmt in diesem Jahr bizarre Welten ins Visier. U.a. präsentiert das Ensemble L’art pour l’art Kafkas Heidelbeeren, ein imaginäres Vokal- und Instrumentaltheater des erst kürzlich verstorbenen Matthias Kaul.
Am 28.10. wird im Rahmen des Henze Herbst 2020 in Gütersloh der Hans-Werner-Henze-Preis an Robin Hoffmann verliehen.
Im Krefelder TAM erklingt jeweils freitags um 22 Uhr Staubsaugermusik.
Beim 2. Werkstattkonzert im Mönchengladbacher BIS dreht sich am 10.10. alles um Hölderlin und am 30.10. kommt im Konzertsaal des Stadttheaters das Musiktheater Eleonore zur Aufführung.
Mariá Portugal, derzeit improviser in residence des mœrs festival, hat am 6.10. Jasper van´t Hof und Paul van Kemnade nach Moers eingeladen.
In der Black Box in Münster erwarten uns neben den Soundtrips NRW am 4.10. weitere Konzerte mit zeitgenössischem Jazz.
Beim Tag für Beethoven am 11.10. in Pulheim sind auch das Kölner Streichsextett und das E-Mex Ensemble mit von der Partie.
Im Märkischen Museum in Witten veranstaltet der WDR am 3.10. ab 13 Uhr einen Nachschlag zu den Wittener Tagen für neue Kammermusik, die im April nur im Radio zu hören waren. Neben drei kleinen Konzerten erwartet uns die Klanginstallation Out of Nowhere von Christina Kubisch, die anschließend bis zum 17.1.21 im Museum erlebbar ist.
Der
Wuppertaler
ort
ist erwacht und kündigt den cine:ort
am 1.10., Soundtrips
NRW
am 7.10.
sowie Konzerte am 15.10.
und 29.10.
an, am 17.10. wird in der Immanuelskirche das Phobos
Festival
für
Dark Ambient und Industrial Musik nachgeholt und
am 28.10 ist das
Trio Beins / Lehn / Wissel bei unerhört
zu Gast (am 31.10. auch im Kunsthaus Troisdorf).
Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Wenn
Sie die Gazette nicht mehr erhalten möchten,
senden sie bitte eine
Mail an:
neuemusik-leave@list.kulturserver-nrw.de
Impressum:
Partnerprojekt
der Stiftung kulturserver.de gGmbHmit
Lothringerstr. 23
52062
Aachen
http://ggmbh.kulturserver.de
redaktion@kulturserver.de