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Wer
jetzt durch Christian Dierstein und Dirk Rothbrust
Lust auf mehr
bekommen hatte, konnte sich auf den Schlagzeugmarathon
am 26.8. freuen, bei dem ohne nennenswerte Pause von
13 Uhr bis nach
Mitternacht in PACT Zollverein in drei Sälen sowie im
Außenbereich
Percussion vom Feinsten geboten wurde. Für den Auftakt
sorgte Julius
Sartorius,
der (wie er u.a. in seiner Videoinstallation Schläft
ein Lied in allen Dingen
demonstriert hat) mit seinen Drumsticks praktisch
alles zum Klingen
bringt. Klangerkundend bahnte er sich seinen Weg
durchs Gebäude und
machte dabei schlagartig klar, wie vielfältig
akustische Phänomene
sind und wie schnell man bei der Beschreibung an
sprachliche Grenzen
stößt – wenn man nicht gerade Droste-Hülshoff heißt
bzw. sich
bei ihr bedient. Ein altes Sofa fördert bei
entsprechender
Behandlung – neben erstaunlichen Staubwolken –
matt-dumpfe Klänge
zu Tage, während die lamellenartigen Heizungsrohre ein
veritables
Eigenleben entfalten und anfangen zu pfeifen und zu
singen. Eine
besonders eindrucksvolle Möglichkeit,
Alltagsgegenstände akustisch
zu aktivieren, realisierte Sartorius gemeinsam mit dem
Ensemble
This | Ensemble That.
Das Quartett bearbeitete mit nahezu roboterhafter
Präzision
Trommeln, auf denen Sartorius sozusagen bei laufendem
Motor ständig
wechselnde Objekte platzierte, die so in den
Schlagradius gerieten:
Pfannen, Töpfe, Becken, Triangeln usw.. Dadurch
erfährt der
ununterbrochene, intensive Klangstrom – teils
graduell, teils
abrupt – immer wieder neue Einfärbungen und
Transformationen; mal
bekommt einer der Musiker eine Riesentrommel
untergeschoben, worauf
ein Donnerwetter losbricht („Felsblöcke, zuckendes
Gebein!“),
mal jault und scheppert das Kochgeschirr („die Winde
keucht, es
rollt der Hund, der Hammer pickt“), mal sorgen die
Triangeln für
einen ätherischen Höhenflug („Und welch Geriesel –
immer,
immerzu“) – all das eingebunden in einen 50-minütigen
reißenden
Fluss, der (vor allem wenn man es sich aufgrund
fehlender
Sitzgelegenheiten auf dem Boden bequem macht) einer
Ganzkörpermassage
gleichkommt („Wie rieselt's mir über die blanke
Haut“). Eine
ähnliche Wirkung erzeugte das Trio Camille
Emaille,
Pol Small und Gabiel Valtchev mit der zweifelligen
bulgarischen
Zylindertrommel Tapan. Es entsteht ein Sog („..zogen
in einen
saugenden Schlund“), der durch Rhythmus- und
Klangvariationen
ständigen Wandlungen unterliegt; ein dunkler,
brodelnder Grund,
durch live-elektronische Verarbeitung zusätzlich
intensiviert,
zeitweilig von penetrantem Klacken perforiert („wie
Hagel bröckelt
es zum Grund“). Zum Schluss bearbeitet Camille Emaille
eine Art
liegenden Riesengong mit allen möglichen Utensilien,
traktiert ihn
wie einen Amboss („wo der Kobold den Hammer schwang“),
wodurch
das Geschehen in ein heilloses Tohuwabohu stürzt
(„...das
schwefelnde Wetter im Grimm“). Ihre Lust am Experiment
und am
Exzess konnte Emaille zudem bei einer Soloperformance
demonstrieren.
Dabei brachte sie u.a. ein präpariertes Drumset zum
Einsatz, auf dem
Blechdosen mit Gitarrenseiten festgezurrt waren, denen
sie mit
Streicherbögen zu Leibe rückte. Das Ergebnis ist ein
grandioser
geräuschlastiger Parcours, der von knarzigem Klirren
und Scheppern
bis zu filigranem, ätherischem Sirren reicht („Hörst
du des
Schwadens Sausen nicht?) und sich tief ins Ohr
eingräbt. Die
minimalistischste Darbietung lieferte Etienne
Nillesen
mit seiner Snare Drum, die er lediglich mit der
Kehrseite eines
kleinen Schlegels in Schwingung versetzte. Eigentlich
schien er nur
vor sich hin zu rühren (...zerrinnend, malt der kleine
Strahl“),
erzeugte dadurch jedoch verblüffend komplexe,
mehrstimmige Klänge,
von geisterhaft fragil („langsam schwellend der
Tropfen sank“)
bis aggressiv kantig („mit dem Gezähe hackt er am
Spalt“), mit
einfachsten Mitteln entsteht so ein vielschichtiger,
fast
elektronisch anmutender Sound.
Neben
diesen experimentellen Ansätzen kamen auch einige
Klassiker der
Schlagzeugliteratur zu Gehör: Natürlich durfte Béla
Bartóks
Sonate
für zwei Klaviere und Schlagzeug
nicht fehlen (viel zu selten und viel zu lange nicht
mehr live
gehört). Stockhausen hat bereits 1959 in seinem Zyklus
No. 9
das ganze Arsenal der Schlagzeugklänge virtuos
ausgereizt. Feldmans
grafisch notierte Studie The
King of Denmark wird
unter Dirk Rothbrusts Händen zu einem behutsamen wie
hingetupften
Fingerspiel und Brian
Archinal
konnte in Xenakis' Psappha
rhythmische Strukturen und verschiedene Material-
bzw. Klangtypen
ausreizen. Mohammad
Reza Mortazavi
beeindruckte beim Spiel der persischen Trommeln
Tombak und Daf
vor allem durch Feinfühligkeit und Virtuosität. Dass
ich nicht ganz
bis zum Ende durchgehalten habe, lag nicht daran,
dass ich die Ohren
voll hatte, sondern an meinem mangelnden Vertrauen
in den ÖPNV.
[Termine im August]
Köln
In
der Philharmonie
stehen Gubaidulina, Holliger, Sigfúsdóttir
u.a. am 3.9.,
das Ensemble Modern mit George Benjamin am 9.9.
und 10.9.,
Philipp Maintz am 15.9.,
Wolfgang Rihm am 18.9.,
Matthias Pintscher am 19.9.,
György Ligeti am 20.9.
und 24.9.
und Peter Eötvös am 25.9.
auf dem Programm. In der Kunststation
Sankt Peter erwarten uns Lunchkonzerte
am 2.,
9., 16., 23. und 30.9., das Ensemble Tra
i Tempi mit The
Sound of Rubens am 1.9.,
die reiheM
mit Roxane Métayer und Nathalie Brum am 6.9.,
der Preisträger des Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendiums
2023 Nicolas
Berge am 20.9. und das Ensemble
NeoBarock am 29.9. Die reiheM
ist außerdem am 4.9.
mit einem Konzert für Rob Hordijk im Konzertraum 674.fm und
am
27.9.
im Stadtgarten zu Gast. Die Musikfabrik
spielt beim Montagskonzert am 11.9.
eine Uraufführungen von Simon
Martin und beim
WDR-Konzert
am 24.9.
ein neues Werk von Michael
Pelzel. Beim WDR-Konzert 'Musik der
Zeit' am
29.9.
steht Péter Eötvös im Focus. Musik von Beethoven in
unerwarteter
Form erklingt am 15.9.
Im Domforum, im Zamus-Konzert
am 16.9.
trifft Barockmusik auf Techno, in der Alten
Feuerwache steht am 16.9. das Ensemble
New3Art
auf der Bühne, im Lutherturm
findet am 27.9.
die nächste Soirée Sonique statt und im Staatenhaus wird am
30.9.
die Oper The
Strangers von Frank
Pesci aus der Taufe gehoben.
Einblicke
in die freie Szene bekommt man bei ON
Cologne
und Noies,
der Zeitung für neue und experimentelle Musik in NRW.
ON
veranstaltet in der Alten
Feuerwache
ein Werkstattgespräch in der Reihe ChezOn
am 13.9. und ONpaper
Workshops
am 4.9., 11.9., 18.9. und 25.9.
Fast
täglich finden Konzerte im Loft
statt und jeden
2. und 4. Dienstag im Monat sendet
FUNKT
ein Radioformat mit Elektronik und Klangkunst aus
Köln. Weitere
Termine und Infos finden sich bei kgnm,
Musik
in Köln
und impakt
sowie Veranstaltungen
mit Jazz und improvisierter Musik bei Jazzstadt
Köln.
Ruhrgebiet
Bei der Ruhrtriennale erwartet uns die Maschinenhausmusik mit Mopcut und Audrey Chen am 6.9. und das Ensemble of Nomads am 13.9. und am 21. und 22.9. spielen Chorwerk Ruhr, die NDR Bigband und die Basel Sinfonietta bei Play Big! groß mit Werken von Sofia Gubaidulina, Michael Wertmüller und Simon Steen-Andersen.
Im Konzerthaus Dortmund bringt das Israel Philharmonic Orchestra am 3.9. ein Werk von Betty Olivero zur deutschen Erstaufführung und im domicil erwarten uns Thereminklänge am 13.9. und The Dorf am 21.9.
Anlässlich einer Ausstellung Duisburger Künstler ist am 24.9. das Ensemble Crush im earport zu Gast und bei den Duisburger Philharmonikern stehen Ligeti am 3.9. und neue Werke der litauischen Komponistin Raminta Šerkšnytė am 13. und 14.9. auf dem Programm.
Die Gesellschaft für Neue Musik Ruhr in Essen kündigt being-sent für singendes tiefes Streichtrio am 1.9., Soundfloat mit dem Tretboot am 9.9. und den Containerklang am 30.9. an und das Folkwang Museum gibt am 10.9. dem E-Mex-Ensemble eine Bühne. Im Pact Zollverein befassen sich Alexander Schubert und das Decoder Ensemble am 29. und 30.9. in ANIMA™ mit KI-gesteuerten Settings.
Im Makroscope in Mülheim an der Ruhr findet am 9.9. ein Konzert mit Rasmus Nordholt-Frieling, Lukas Hermann und dem Trio MFK Bochum statt.
Weitere Infos zu aktueller Musik im Ruhrgebiet liefert der Umlandkalender.
Düsseldorf
In der Tonhalle stehen ein Konzert mit dem Ensemble Notabu am 20.9. und ein Werk von Aziza Sadikova am 29.9. auf dem Programm. Am 6.9. interviewt Irene Kurka für eine neue Folge ihres Podcast 'Neue Musik leben' live in der Zentralbibliothek die Sängerin, Dirigentin und Komponistin Barbara Beckmann und am 23.9. lädt sie zur dritten Ausgabe von Singing Future mit Uraufführungen von Christina C. Messner und Shadi Kassaee ein.
Sonstwo
In der Reihe Soundtrips NRW touren vom 31.8. bis 10.9. Andrea Parkins und Yorgos Dimitriadis durch NRW und vom 27.9. bis 7.10. sind die beiden Sängerinnen Viv Corringham und Maggie Nicols unterwegs.
Vom 26.9. bis 1.10. findet das Multiphonics Festival mit 22 Veranstaltungen im Stadtgarten und im Gloria in Köln, im Skulpturenpark Waldfrieden und in der Immanuelskirche in Wuppertal sowie in der Jazzschmiede in Düsseldorf statt. Die von der Kölner Klarinettistin Annette Maye kuratierte Veranstaltung erkundet vor allem die vielfältigen Möglichkeiten der Holzbläser.
Die Gesellschaft für zeitgenössische Musik Aachen kündigt die Reihe 'Hören und Sprechen über Neue Musik' am 1.9., eine Veranstaltung anlässlich 100 Jahre Neue Musik in Aachen am 9.9., das catinblack ensemble am 16.9. und Jazz mit dem Trio.Diktion am 23.9. an.
Die Bielefelder Cooperativa Neue Musik befasst sich in ihrem nächsten Jour fixe am 4.9. mit der Komponistin und Sängerin Margarete Huber.
In Bonn findet vom 31.8. bis 24.9. das Beethovenfest statt. Auf dem Programm stehen unter anderem Werke von Philipp Maintz am 2.9., von Gavin Bryars und Michael Gordon am 3.9. sowie von Farzia Fallah am 10.9. und am 9. und 10.9. begleitet die Musikfabrik eine Choreographie von Sascha Waltz. Zum Abschluss von 'echoes – soundforum bonn 2023' der Beethovenstiftung Bonn präsentieren Roswitha von den Driesch und Jens-Uwe Dyffort zum Beethovenfest im Kurfürstlichen Gärtnerhaus vom 31.8. bis 23.9. eine dreiteilige Klanginstallation, die um das Thema Pflanzen im Zeichen des zunehmenden weltweiten Wassermangels kreist. Die In Situ Art Society stellt am 2.9. mikrotonale Musik für vier Altsaxophone und am 9.9. und 27.9. die Soundtrips NRW vor und in der Kunsthalle Hangelar im nahen Sankt Augustin sind am 17.9. Georges Paul und Naoko Kikuchi zu Gast.
Das E-Mex-Ensemble spielt am 27.9. im Museum Goch zur aktuellen Ausstellung von Jan Schmidt.
Zum 650. Stadtjubiläum der Stadt Krefeld entführt der Klangraum am 29.9. mit Musik von Stockhausen, Boulez u.a. ins Alte Klärwerk. Das Theater am Marienplatz startet in die neue Saison mit einer Hommage an Schwitters Merz-Bau. Der KlangMerzBau soll monatlich erweitert werden.
Stefan Heucke hat sich im Auftrag des Theaters Mönchengladbach die Frage gestellt, wie es wohl mit Aida und Radamès – eingemauert und dem Tode geweiht – weiter gegangen ist. Sein Fünfter Akt der Aida hat am 3.9. im Bunker Güdderath im Rahmen des Festivals Herbstzeitlose Premiere.
Das Kollektiv Recursion, aktuell Improviser in Residence in Moers, ist am 14., 16. und 30.9. zu erleben.
Im Kultur- und Medienzentrum Pulheim trifft am 17.9. Martin Zingsheim auf das E-Mex-Ensemble und Jennifer Panara.
In der Wuppertaler Oper hat am 1.9. Angel's Bone von Du Yun Premiere. Der ort kündigt die Soundtrips NRW am 5.9., neue Klaviermusik mit Lukas Katter am 14.9. und das Red Color Trio in der Reihe 'all female' am 21.9. an und am 16.9. kann man an einer Wandelperformance durch das Luisenviertel mit dem experimentellen Musik- und Tanztheater Filidonia teilnehmen.
Weitere Termine mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
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