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März 2025
Gewesen:
Ensemble Modern mit Fragen zur Kunstfreiheit – Musikfabrik im
WDR
Angekündigt:
Her:Voice
in Essen –
ton
not. not ton
in der Kunsthalle Münster – Lunar Cycle im Essener
Folkwang Museum
u.v.a.m.
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[Ensemble Modern mit Fragen zur Kunstfreiheit]
In
einer mehrteiligen Veranstaltungsreihe, die in Frankfurt und
Köln
stattfindet, beschäftigt sich das Ensemble
Modern mit der Frage „Wie frei ist die Kunst?“, ein Thema,
das die Kunstwelt von jeher umtreibt und das in den letzten
Jahrzehnten noch komplizierter geworden ist. Denn während man
früher
vor allem Einschränkungen von Seiten der Obrigkeit befürchtete,
sind die Kunstschaffenden heutzutage mit Begehr- und
Empfindlichkeiten aus allen möglichen Richtungen konfrontiert,
so
dass mancher schon eine Cancel Culture und eine „Zensur von
unten“
wittert (s. Artikel von Corina Kolbe im aktuellen
EM-Magazin). Im Gespräch mit Veranstaltenden, Ensembles
und
Komponierenden soll diesen Phänomenen nachgegangen werden, wobei
zum
Auftakt in Köln Boglárka
Pecze (Geschäftsführerin Ensemble
Recherche) und Christian Fausch (künstlerisches Management
und
Geschäftsführung Ensemble Modern) der Moderatorin Leonie
Reinecke
Rede und Antwort standen. Beide Ensembles sind basisdemokratisch
organisiert und haben den Anspruch, das, was auf dem Notenpult
liegt,
ohne eigene Wertung bestmöglich zur Diskussion zu stellen. Zu
den
Zumutungen, denen sie dabei ausgesetzt sind, gehörten zum
Beispiel
die Forderungen einer südafrikanischen Komponistin an das
Ensemble
Recherche, sich im Vorfeld der Zusammenarbeit einem
Anti-Diskriminierungs-Workshop und einer Meditation mit einem
Guru zu
unterziehen. Das Ergebnis war, wie Pecze berichtete, ein
tieferes
Verständnis für unbewusste rassistische Prägungen und eine
freundschaftliche Verbundenheit mit der Komponistin. Fausch
beklagte
die Schwierigkeit, angesichts veränderter Priorisierungen
männliche
Protagonisten durchzusetzen, doch auch wenn die überfällige
Auseinandersetzung mit zementierten Ungerechtigkeiten mal über
das
Ziel hinauszuschießen scheint (noch hält sich die
Benachteiligung
von Männern in Grenzen), so sollte nicht erst seit den aktuellen
Sparorgien klar sein: In einer kapitalistischen Gesellschaft
funktioniert Zensur weder von oben noch von unten sondern über
den
Geldhahn. Das hat den Vorteil, dass man gar nichts verbieten
muss,
erstens weil man selbigen einfach zudrehen kann und zweitens
weil die
meisten Beteiligten sich in der Hoffnung auf ein paar Brosamen
sowieso windschnittig verhalten. In Zeiten des kalten Krieges
und der
Systemkonkurrenz wurde das Dogma verbreitet, dass freie
Marktwirtschaft, freie Kunst und Demokratie siamesische
Drillinge
sind, die sich gegenseitig bedingen. Das hatte eine großzügige
Förderung der kreativen Szene zur Folge, ließ diese allerdings
auch
etwas bräsig werden. Doch angesichts neuer globaler
Machtverhältnisse sind die Feigenblätter Demokratie und Kunst
zunehmend verzichtbar: Was nicht kommerzialisiert werden kann
bzw.
einer Kommerzialisierung im Wege steht, kann weg. Es stellt sich
die
Frage, wie sich Kunstschaffende in dieser Situation verhalten
können,
ohne sich in einem Konkurrenzkampf um die letzten Pfründe
aufzureiben und ohne sich durch Einstimmen in den Anti-Woke-Chor
gegenseitig zu zerlegen. Pecze und Fausch wünschten sich zum
Abschluss des Gesprächs mehr Geld und weniger Scheuklappen. Ob
es
damit getan ist, bleibt fraglich.
Als
Beispiele für engagiertes Komponieren brachte das Ensemble
Modern im
Anschluss an das Gespräch unter der Leitung von Xizi Wang drei
sehr
unterschiedliche Werke zur Aufführung. Wenig Gegenwind hat
vermutlich Tania Rubio zu
befürchten, die sich in The Language of Water für
Ensemble
und Elektronik mit der lebenswichtigen Funktion des Wassers und
seiner Gefährdung auseinandersetzt. Aus einem Raunen des
Kontrabasses, filigranem Schwirren und tonlosen Anblasgeräuschen
entwickelt sich eine schwebende Klangfläche, die sich wie ein
aufkommendes Gewitter aufbäumt, unter Trommelwirbel entlädt,
sich
beruhigt, erneut aufwallt und dabei immer wieder Assoziationen
an
Wasser anklingen lässt. Dass die Wahrnehmung eines Werkes stets
auch
von der Person des Komponierenden beeinflusst wird, lässt sich
an
Last und Lost von Vladimir
Tarnopolski verdeutlichen. Nach einem lebhaften Auftakt
ist das
Stück geprägt von kleinen Gesten, die aufflackern und
nachzittern,
von kurzen Attacken, die sich schnell verausgaben und abbrechen,
bis
die Musik in isolierten Anschlägen des Klaviers erstarrt. Obwohl
Tarnopolski mit der Verwendung von chromatischen Tonleitern und
Pausen bewusst möglichst 'neutrales' unbelastetes Material
verwendet, lässt sich seine Biografie (ein russischer Komponist,
geboren in der ukrainischen Sowjetrepublik, der sich nach dem
Überfall Russlands auf die Ukraine zur Ausreise entschlossen
hat)
nur schwer ausblenden. Am meisten kritisches Potential hat Assange
– Fragmente einer Unzeit von
Iris ter
Schiphorst. Die Solistin Nina
Guo versucht sich in einem Umfeld zu behaupten, das von
dramatisch aufwallenden instrumentalen Gesten, nicht minder
bedrohlichen Phasen der Stagnation und zugespielten Stimmen
zum Fall
Assange geprägt ist. Nahezu wort- und oft auch tonlos bringt
sie
hechelnd, lispelnd, lallend und mit erstickter Stimme die
existentielle Bedrohung des Individuums zum Ausdruck.
Weitere
Gesprächskonzerte in der Reihe 'Wie
frei ist die Kunst?' sind in Köln am 9.4. und (im Rahmen
von
Achtbrücken) am
11.5. geplant.
[Musikfabrik beim WDR]
Auch an einem renommierten Ensemble wie der Musikfabrik gehen die allgegenwärtigen Sparmaßnahmen nicht spurlos vorbei. Eine Folge davon ist, dass weniger Kompositionsaufträge vergeben werden können und die Konzerte beim WDR auch mal ohne Uraufführung auskommen müssen. Das hatte am 22.2. jedoch nicht nur Nachteile, denn es führte dazu, dass Kompositionen aus den Hochschulprojekten wiederverwertet wurden. Die Musikfabrik fördert bereits seit Jahren den Nachwuchs, u.a. existiert unter dem Titel Adventure eine enge Zusammenarbeit mit dem Institut für Neue Musik der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Sechs in diesem Kontext zwischen 2019 und 2023 entstandene Werke kamen jetzt beim WDR erneut zu Gehör. Im vorausgehenden Gespräch berichteten die Komponierenden, wie fruchtbar die Zusammenarbeit mit den Profis für sie war. Für einige war es der krönende Abschluss ihres Kompositionsstudiums. Aber auch hier kam die Rede rasch auf die härter werdenden Zeiten: Förderungen werden eingestellt oder liegen auf Eis, was gerade nach dem Sprudeln der Geldquellen zu Coronazeiten zu einer Lähmung führt. Mats Thiersch hat sich bereits umorientiert und studiert jetzt Dirigieren. In seinem Werk Grand Expansion verbinden sich isolierte Klangereignisse zunächst zu flirrenden Tonketten, lösen sich auf und führen schließlich nach mehreren Aufwallungen zu einem wuchtigen Steigerungsprozess, der plötzlich abbricht. Auch andere Stücke zeichneten sich durch eine Lust an Klangturbulenzen aus wie Mazyar Kashians Botanisieren oder Sara Glojnarićs sugarcoating, in dem Klangfetische der Popmusik durch den Fleischwolf gedreht werden. Christopher Collings' E-State baut sich aus der Tiefe auf und führt zu immer schrilleren Zuspitzungen und irrwitzigen Beschleunigungen. Dahinter stehen Gedanken zu einer Welt, die von Informationsfluten geprägt ist und in der wir uns zu verlieren drohen. Georgia Koumarás Trickster für Drumset solo und Ensemble ist ganz auf Dirk Rothbrust zugeschnitten, der mit einem fulminanten Schlagzeugsolo voller vertrackter Rhythmen das Ensemble zu Eskapaden anstachelt, die teilweise an Freejazz erinnern. Eine Hommage ganz anderer Art stellt Bethan Morgan-Williams Ffarwel i Uli für Violine und Moogerfooger dar. Das Werk ist Ulrich Löffler, dem 2022 verstorbenen Pianisten der Musikfabrik, gewidmet und wurde von seiner Lebensgefährtin Hannah Weirich interpretiert. Kleine mal zarte, mal raue Gesten treten in einen Dialog mit den elektronischen Klängen des Ringmodulators und entfalten eine fragile und gleichzeitig sehr präsente Atmosphäre.
[Termine im März]
Köln
In
der Philharmonie
stehen Abel Selaocoe und
das Aurora Orchestra am 5.3.,
das 2.
Pianokonzert
von Anders Hillborg am 8.3.
und 9.3.,
ein Musik
der Zeit-Konzert
zum 100. Geburtstag von Pierre Boulez am 9.3.
und ein Gedicht
für Streichquartett
von Rebecca Clarke am 25.3.
auf dem Programm. In der Kunststation
Sankt Peter
erwarten uns Lunchkonzerte am 8.3., 15.3., 22.3. und 29.3.
sowie ein
musikalisch gestaltetes Hochamt am 30.3., o-ton
präsentiert das Stephanie Troscheit Trio am 14.3.,
Piano
Mouvements
am 23.3.
und Ooana
Kastner am
27.3.
und in der Alten
Feuerwache
sind das Ensemble
Garage
am
8.3. und das Kommas
Ensemble am
15.3. zu Gast. Beim Chamber
Remix
am 9.3.
erwartet uns das Fukio
Saxophon Quartett,
die Musikfabrik
lädt am 10.3.
zum Montagskonzert und NICA
artist development
präsentiert am 24.3.
Felix Hauptmann im Stadtgarten.
Einblicke
in die freie Szene bekommt man bei ON
Cologne
und Noies,
der Zeitung für neue und experimentelle Musik in NRW,
fast tägliche
Konzerte veranstaltet das Loft,
jeden 2. und 4. Dienstag im Monat sendet
FUNKT
ein Radioformat mit Elektronik und Klangkunst aus Köln
(mit
Christina
Fuchs, Caroline Thon und Eva Pöpplein am 11.3.
sowie Natalie Bewernitz und Marek Goldowski am 25.3.),
jeden 1. und 3. Mittwoch im Monat wird der Ebertplatz von der
Reihe
Bruitkasten
bespielt und immer am letzten Mittwoch im Monat
präsentiert LTK4
im Lutherturm die Soirée Sonique. Weitere
Termine und Infos finden sich bei kgnm,
Musik
in Köln und impakt,
sowie
Veranstaltungen
mit Jazz und improvisierter Musik bei Jazzstadt
Köln.
Ruhrgebiet
Am 20.3. steht die Formation The Dorf im Dortmunder domicil auf der Bühne und im Konzerthaus erklingt am 22.3. Another eve von Rachel Portman.
In einer audiovisuellen Performance treffen am 28.3. Rajesh Mehta und das Künstlerduo mediaDEVICE im Rahmen der Duisburger Akzente im Lokal Harmonie aufeinander und in der Kirche St. Ludger finden immer sonntags um 18 Uhr Konzerte statt. Am 2.3., 16.3. und 30.3. sitzt Dominik Susteck an der Orgel.
Bei Richard Siegals performativer Rauminstallation Lunar Cycle im Essener Folkwang Museum kommt vom 14.3. bis 13.4. auch die Musikfabrik zum Einsatz. Die Philharmonie veranstaltet vom 20. bis 23.3. bereits zum zweiten Mal das Komponistinnenfestival Her:Voice. Auf dem Programm stehen ein Symposium, Aufführungen der Opern Innocence von Kaija Saariaho und The Listeners von Missy Mazzoli, ein Sinfoniekonzert und ein Gesprächskonzert mit Missy Mazzoli. Im Rabbit Hole Theater erwarten uns das Trio Li / Neubauer / Schörken am 13.3. und der vierte Zustand mit Hanna Schörken, Christina Zurhausen und Ramon Keck am 28.3. und die Gesellschaft für Neue Musik Ruhr bietet mit dem neuen Format FRIM am 6. und 20.3. einen offenen Raum für Improvisation.
In der werkstatt in Gelsenkirchen kommt am 21.3. Pekar von Scott Fields zur Aufführung. In seiner „Operette, in der nicht viel passiert“ vertont Fields Texte der US-amerikanischen Underground-Comic-Legende Harvey Pekar.
Weitere Termine hält der Umlandkalender bereit.
Düsseldorf
In der Tonhalle spielt das notabu.ensemble am 29.3. Wolfgang Rihms umfangreiches Werk Jagden und Formen.
Sonstwo
Die Aachener Gesellschaft für zeitgenössische Musik kündigt die Reihe 'Hören und Sprechen über Neue Musik' am 7.3. und aktuellen Jazz mit Benjamin Schäfer am 22.3. an.
Die Bielefelder Cooperativa Neue Musik veranstaltet am 3.3. den nächsten Jour fixe und in der Zionskirche finden jeweils sonntags um 17 Uhr Konzerte statt – am 30.3. mit einer Uraufführung von Jan Kopp.
Das fringe ensemble bringt vom 4.3. bis 13.4. den Garten des Widerstands ins Bonner Kunstmuseum inklusive Performances am 9.3., 16.3., 23.3. und 30.3.
Das Krefelder Theater am Marienplatz verbindet in der neuen Spielzeit jeweils freitags um 22 Uhr Texte und Musik und das Studio Musikfabrik ist am 22.3. in der Kirche Pax Christi zu Gast.
Im Rahmen ihres 5. Sinfoniekonzerts spielen die Niederrheinischen Sinfoniker Werke von Arvo Pärt und Anna Clyne – am 25. und 28.3. in Krefeld und am 26.3. in Mönchengladbach.
Der aktuelle Improviser in Residence in Moers Baris Maris kann am 9. und 14.3. live erlebt werden.
Zur Einstimmung auf die Monheim Triennale findet am 23.3. in der Villa am Greisbachsee in Monheim ein Gesprächskonzert mit Rabih Lahoud und Achim Tang statt.
Die Kunsthalle Münster widmet sich mit der Ausstellung ton not. not ton bereits zum dritten Mal dem Klang der Dinge und dem was Klang hervorruft. Zur Eröffnung am 28.2. sowie zur Finissage am 24.5. wird zudem ein interessantes Programm mit Konzerten und Performances geboten. In der Münsteraner Black Box erwarten uns am 2.3. das Duo Paul Hubweber und Martin Theurer und am 23.3. Harri Sjöström Flight Mode.
Im Wuppertaler ort stehen die Reihe 'all female' mit dem Verena Barié Trio am 7.3., das Trio Li / Neubauer / Schörken am 11.3. und das Frederik Köster Quartett am 21.3. auf dem Programm. Am 21.3. findet ein Doppelkonzert mit einer Konzertperformance in der Sophienkirche und einem Dialog zwischen The Sephardics und Elliott Sharp im Loch statt.
Weitere Termine mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
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