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Januar 2024
Gewesen:
'Musik der Zeit' mit Pinked
Dreams –
Septembersonate von
Manfred Trojahn an der Oper am Rhein in Düsseldorf
Angekündigt:
Zimmermanns Soldaten
in der Kölner Philharmonie – Frakzionen in Bielefeld –
EarFest
in Duisburg u.v.a.m.
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['Musik der Zeit' mit Pinked Dreams beim WDR]
Die
WDR-Reihe 'Musik
der Zeit'
kündigte am 1.12. Pinked
Dreams
an und tatsächlich wurde es zum Auftakt sowohl
optisch als auch
akustisch bunt. In einem Outfit, als wäre er einer
ganzen Batterie
von Farbeimern entsprungen, eroberte der Posaunist
und Komponist Alex
Paxton
die Bühne und entfachte mit seinem Instrument ein
wild-wucherndes
Klangfeuerwerk, das die Ohren zum Flirren und
Dröhnen brachte. In
seinem neuen Stück Pullbackhat
Biome-Dunk (a Chat-Can Let-Go) stand
ihm die Komponistin und Vokalistin Jennifer
Walshe
zur Seite und während die Solo-Parts frei
improvisiert wurden,
spielte das WDR-Sinfonieorchester unter der
Leitung von Titus Engel
ordentlich nach Noten. Besonders in Paxtons
zweitem an diesem Abend
interpretierten Werk Od
Ody Pink'd,
zu dem er sich von Bildern der Malerin Ody Saban
inspirieren ließ
und in dem er ebenfalls als Solist auftrat,
präsentierte das
Orchester großspurige, mit dickem Pinsel
aufgetragene Gesten, die
das lustvoll-überschwengliche, schmetternde und
scheppernde Spiel
der Posaune konterkarierten – ein bewusst
gesetzter Kontrast, der
nicht neu ist und wie viele dieser
Crossover-Versuche etwas
konstruiert wirkte.
Auch
Frank Zappa, der fast auf den Tag genau (am 4.12.)
vor 30 Jahren
starb, hatte Spaß daran, die Musikwelt
aufzumischen und zwischen
Medien und Genres hin- und herzupendeln. So
entstand aus einem
Gitarrensolo ein Stück für Synclavier, das sich
wiederum,
transkribiert von Andrew Digby, als While
You Were Art II
in ein analoges Werk für Orchester verwandelte.
Auch die
Einsparmaßnahmen des Öffentlich-Rechtlichen
Rundfunks nahm Zappa
bereits in den 70ern vorweg, indem er
vorausschauend Revised
Music for Low Buget Orchestra
komponierte. Aber was sich so humorvoll und schräg
anhört, erweist
sich im Klangbild als ziemlich harmlos. Der
Perkussionist wagt ein
paar rockige Anflüge, die aber schnell versanden.
Ansonsten
plätschert die Musik vor sich hin, schlägt ein
paar rhythmische
Haken und erschöpft sich schnell.
Als
zweite Uraufführung des Abends erklang Jennifer
Walshes The
Site of an Investigation
in reduzierter Fassung für Stimme und Orchester.
Als
Untersuchungsgegenstand hat sie sich gleich mal
die Probleme der
ganzen Welt vorgenommen. In 26 Abschnitten
galoppiert sie durch
Seelenschmerz, Mikroplastik, Pollock als KI-Kunst
für alle, Hass,
Scham, Marsmissionen und was uns sonst noch so
alles zu schaffen
macht. 'Brutal and beautiful' soll es werden, aber
letztlich ist es
weder das eine noch das andere, denn weh tut diese
Gesellschaftskritik zum Nulltarif natürlich
niemandem und auch die
ins Publikum geschmetterte Parole 'es wird
kompliziert' bleibt ein
leeres Versprechen. Genauso beliebig wie die
Textschnipsel, die
Walshe selbst singend und sprechend zum Besten
gibt, ist leider auch
die Musik. Schwebende Klangschlieren, rauschende
Windmaschinen, ein
paar scheppernde Bläserakkorde und viel
Konventionelles. Es würde
mich nicht wundern, wenn hier KI am Werk war –
sozusagen
KI-Komposition für alle.
[Septembersonate von Manfred Trojahn an der Oper am Rhein in Düsseldorf]
Henry
James scheint besonders auf männliche
Opernkomponisten eine gewisse
Faszination auszuüben. Im April kam die Oper La
bête dans la jungle von
Arnaud Petits nach einer Geschichte von James in
Köln zur Aufführung
(s. Gazette
Mai),
jetzt hat es Manfred
Trojahn
erwischt. Seiner neuen Oper Septembersonate
liegt
die Erzählung The
Jolly Corner zugrunde,
nach der er selbst das Libretto verfasst hat. Auch
inhaltlich gibt es
unübersehbare Parallelen: In beiden Fällen
begegnen uns Männer im
Herbst ihres Lebens (September!), die sich (wie
James selbst) mit
ungelebten Beziehungen herumschlagen und dabei
unausgesetzt mit sich
selbst befasst sind. Diesmal ist es Osbert Brydon,
der einst vor
familiären Erwartungen nach Europa floh und dort
als Schriftsteller
Karriere gemacht hat. Doch als er jetzt in seine
amerikanische Heimat
zurückkehrt, um sein Erbe abzuwickeln, begegnet
uns kein
selbstbewusster Mann, der gegen äußere Widerstände
seiner
Bestimmung gefolgt ist. Vielmehr wird er gepeinigt
von Selbstzweifeln
und umgetrieben von der Frage, ob er damals die
richtige Entscheidung
getroffen hat und was ansonsten aus ihm hätte
werden können. Eine
wichtige Rolle bei dieser Selbstbefragung spielt
Ellice, eine
Jugendfreundin, mit der er jedoch damals über
kindliches
Theaterspiel nicht hinausgekommen ist. Wäre da
mehr möglich gewesen
oder besteht vielleicht jetzt noch eine Chance?
Anstatt konkrete
Anstrengungen in dieser Richtung zu unternehmen,
bleibt Osbert der
Vergangenheit und seiner Nabelschau verhaftet.
Ellice wirkt (selbst
in einer überzogen handfesten Verführungs- oder
besser
Überrumpelungsszene) ungreifbar, so dass man sich
fragt, ob sie
vielleicht nur seinem Wunschdenken entsprungen
ist. Die direkteste
Konfrontation findet mit seinem Doppelgänger
statt, mit dem er sich
in der vorletzten Szene einen wahren Showdown
liefert, bei dem die
beiden Kontrahenten sich wechselseitig Gier bzw.
Egoismus vorwerfen.
Dieses
komplexe Psychodrama wird in der Düsseldorfer Oper
am Rhein unter
der Regie von Johannes Erath wirkungsvoll in Szene
gesetzt. Das
Bühnenbild besteht im Wesentlichen aus drei
großen, beweglichen
Treppenanlagen, die das von den Geistern der
Vergangenheit
heimgesuchte Elternhaus symbolisieren und
eindrücklich das Unstete,
Bodenlose und Ambivalente von Osberts Verfassung
widerspiegeln. Alles
ist ständig in Bewegung, Realität und Phantasie,
Gegenwart und
Vergangenheit sind unauflösbar ineinander
verwoben. Die
Bühnenbildnerin Heike Scheele kleidet die Figuren
in historisierende
Kostüme, wobei besonders bei Ellice das Diffuse
ihrer Präsenz durch
mehrfachen Kleiderwechsel zum Ausdruck kommt. Mal
ist sie elegante
Dame, mal verspieltes Mädchen, mal verführerisches
Glamourgirl, mal
Monroe-Imitat.
Manfred
Trojahn bleibt seinem der Tradition verhafteten
Kompositionsstil treu
(nach eigener Aussage stand diesmal vor allem
Richard Strauss Pate),
aber er versteht sein Handwerk und schafft eine
Musik, die die
emotionalen Verwerfungen seiner Protagonisten
sensibel widerspiegelt.
Geschmeidig folgt sie dem Geschehen und lässt 'wie
alter Duft aus
Märchenzeit' mit versteckten Zitaten Vergangenes
anklingen. Bei der
Begegnung Osberts mit seinem Alter Ego verengt sie
sich zu einem
enervierenden Pizzicato, das die Luft vibrieren
lässt. Die Reduktion
auf ein 15-köpfiges Kammerensemble sorgt für
Transparenz, die
Konzentration auf dunkle Klangfarben (bei den
Streichern kommen nur
Bratschen, Celli sowie ein Kontrabass zum
Einsatz!) verstärkt die
melancholische Grundstimmung; verlockt von der
Celesta kann die Musik
aber auch hohe Register erklimmen. Trojahns
Tonsprache entspricht dem
Sujet und bildet zusammen mit der Inszenierung ein
stimmiges Ganzes,
doch gerade dieses wirkt in seiner Gesamtheit wie
aus der Zeit
gefallen. Ein Schwelgen in alten Themen, alten
Klängen und alten
Bildern, dem man sich gerne für einen Abend
überlässt, das aber
mit uns und unserer Gegenwart nicht mehr viel zu
tun hat. Leider am
aktuellsten sind die um sich selbst kreisenden
Männer, die ihre
infantile Selbstbezogenheit mit ihrem Künstler-
oder sonst irgendwie
wichtigen Auftrag bemänteln – aber selbst da sind
wir hoffentlich
schon einen Schritt weiter.
Bei
der von mir besuchten Aufführung war Juliane Banse
als Ellice leider
unpässlich, so dass sie sich auf die
Bühnendarstellung beschränkte,
während Elena Fink von der Seite die Gesangspartie
übernahm – vor
allem angesichts der kurzen Vorbereitungszeit eine
beeindruckende
Leistung. Auf der Bühne präsentierten sich als
schon eingespieltes
Team Holger Falk als Osbert, Susan Maclean als
Haushälterin Mrs.
Muldoon und Roman Hoza als Osbert II. Besonders
überzeugte am Pult
der Düsseldorfer Symphoniker Vitali
Alekseenok, der den Entstehungsprozess des
Werks intensiv
begleitet hat und mit spürbarem Engagement die
Fäden zusammenhielt.
Im
Januar
finden noch drei Aufführungen statt und wer sich
vorher einstimmen
möchte, kann mit dem knapp halbstündigen Film Das
weiße Blatt einen
Blick hinter die Kulissen werfen.
[Termine im Januar]
Köln
In
der Philharmonie
steht Wolfgang Rihms 9.
Streichquartett
am 8.1.,
eine halbszenische Aufführung von B.A. Zimmermanns Soldaten
am 18.1.,
Musik von Sofia Gubaidulina und Moritz Eggert am 20.1.
sowie von Philip Glass ebenfalls am 20.1.
und das Konzert
für Violoncello und Orchester
von Detlev Glanert am 21.1.
auf dem Programm. In der Hochschule
für Musik und Tanz
erwartet uns am 13.1.
ein Konzert zu Ehren von York Höllers 80. Geburtstag,
am 18.1.
ein Seminar zum Thema 'Vom Dada zur Digi-Kunst' mit
Sergej Maingardt
und am 30.1.
ein Kompositionsabend mit Studierenden der Klasse
Prof. Johannes
Schild. Die Musikfabrik
lädt am 22.1.
und 29.1.
zum Montagskonzert in ihr Studio.
In
der Reihe 'soundings' gastiert am 11.1. Mariska de Groot mit
einer Licht- und Klangperformance in der
Kunsthochschule
für Medien,
in der Kunststation
Sankt Peter
erklingt am 12.1. Musik zur Eröffnung der interaktiven
Klanginstallation Sming
von Superbe,
die WDR-Reihe 'Musik
der Zeit'
gestaltet am 17.1.
eine Orchesterwerkstatt, das Asasello
Quartett
spielt am 19.1.
Werke von Nono und Gubaidulina im MAKK, Beat Keller
und Joke Lanz
stehen am 26.1.
im Atelier Dürrenfeld / Geitel auf der Bühne und
ebenfalls am 26.1.
präsentiert
das Ensemble electronic
ID
ein neues Werk von Andrés
Quezada
im Urania-Theater.
Einblicke
in die freie Szene bekommt man bei ON
Cologne
und Noies,
der Zeitung für neue und experimentelle Musik in NRW.
ON
veranstaltet am 10.1.
in der Reihe ChezOn
ein Werkstattgespräch mit Alexis Ludwig aka Graneg
Sandpapier.
Fast
täglich finden Konzerte im Loft
statt und jeden
2. und 4. Dienstag im Monat sendet
FUNKT
ein Radioformat mit Elektronik und Klangkunst aus
Köln. Weitere
Termine und Infos finden sich bei kgnm,
Musik
in Köln
und impakt
sowie Veranstaltungen
mit Jazz und improvisierter Musik bei Jazzstadt
Köln.
Ruhrgebiet
Das Dortmunder domicil kündigt The Dorf am 18.1. und Tunnel & Meadow am 26.1. an.
Im Duisburger Lehmbruck Museum erklingt am 12.1. Musik zum Geburtstag von Morton Feldman (am 14.1. wird das Konzert in der Kirche Pax Christi in Krefeld wiederholt). Am 19.1. hat in der Deutschen Oper am Rhein Iwein Löwenritter, eine Kinderoper von Moritz Eggert, Premiere und am 28.1. bringt die Folkwang Woche Neue Musik frische Klänge auf den Campus Duisburg. Der EarPort lädt vom 26. bis 28.1. zum EarFest und bereits am 21.1. findet dort eine Ausstellungsfinissage mit Gespräch, Poesie und Performance statt.
In der Essener Folkwang Hochschule stehen Kompositionen von Folkwang-Lehrenden am 9.1., Tape Sessions am 11.1. und 25.1. sowie die Folkwang Woche Neue Musik vom 28.1. bis 31.1. auf dem Programm. In der Philharmonie erwarten uns die deutsche Erstaufführung von The Triumph of the Octagon von Philip Glass am 14.1. und Sound Lab, das Kompositionsprojekt des NOW!-Festivals, am 19.1., der Umlandkalender kündigt das Trio Van Huffel / Fifezius / Camatta im Rabbit Hole am 17.1. an und im Folkwang Museum findet am 28.1. ein Konzert in der Reihe Stromspiesser statt.
Das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier lädt am 27.1. zu einem Portraitkonzert Kaija Saariaho ein.
Düsseldorf
In der Johanneskirche spielt Paul Rosner am 6.1. Violinwerke des 21. Jahrhunderts zu einer Lichtprojektion von Vania Petkova und in der Tonhalle kommen am 12., 14. und 15.1. Werke von Lotta Wennäkoski und Henri Dutilleux zur Aufführung.
Sonstwo
Vom 19. bis 21.1. findet in der Bielefelder Zionskirche das Festivals Frakzionen statt, auf das bereits am 14.1., 16.1. und 18.1. Vorträge und Konzerte einstimmen. Die Cooperativa Neue Musik lädt am 24.1. zum Jour fixe.
Das Mirror Quartet mit Martin Blume, Hans Peter Hiby, Georges Paul & Onno Govaert kommt am 27.1. in den Bonner Dialograum Kreuzung an Sankt Helena.
In der Detmolder Hochschule für Musik stehen ein Portraitkonzert Lucia Kilger am 13.1., ein Konzert mit dem Ensemble Earquake am 25.1. und ein Werkstattkonzert der Schlagzeugklasse mit Tan Duns Snow in June für Percussion und Cello am 31.1. auf dem Programm.
Das Theater am Marienplatz in Krefeld widmet sich die ganze Saison über dem Merz-Bau von Kurt Schwitters. Es entsteht ein KlangMerzBau, der monatlich erweitert wird.
Im Moers wird am 5.1. der neue Improviser in Residence gekürt und am 7.1. findet ein Übergabekonzert statt.
In der Black Box trifft sich am 7.1. die Münsteraner Improvisationsszene, am 15.1. spielt das E-Mex-Ensemble im LWL-Museum Musik vom Drehkreuz Bosporus, im Theater im Pumpenhaus landen am 27.1. die Crashing Airplanes und in der Musikhochschule erklingen am 31.1. in einem Konzert der Schlagzeugklasse Werke von John Cage, Adriana Hölzsky u.a.
Weitere Termine mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW
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