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Juli 2022

Gewesen: Schönes Wochenende in Düsseldorf
Angekündigt:
Lachenmann in der Kölner Musikhochschule – Folkwang Woche Neue Musik – Klangraum Wandelweiser in Düsseldorf u.v.a.m.

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[Schönes Wochenende in Düsseldorf]

Integriert in das Schumannfest widmete sich das Tonhallenfestival 'Schönes Wochenende' vom 15. bis 19.6. mit vier Veranstaltungen dem zeitgenössischen Schaffen, wobei in diesem Jahr ein besonderes Augenmerk der Verbindung der Musik zu anderen Künsten galt. Highlight war ein Gastspiel in der Kunstsammlung Philara, bei dem die Installation Nuqta – The Beginning der Künstlerin Chiharu Shiota vom Transient Interdisciplinary Research Ensemble bespielt wurde. Das Projekt wie auch das Ensemble haben ihren Ursprung in dem interdisziplinären Musik- und Kunstfestival Transient, das Jeremias Schwarzer 2021 in der Eifel ins Leben rief. Shiota, die für ihre poetischen, raumgreifenden Installationen bekannt ist, schuf erst kürzlich im Rahmen der Folkwang-Jubiläumsausstellung 'Renoir, Monet, Gauguin – Bilder einer fließenden Welt' mit einem Meer hängender roter Schnüre, in die stilisierte Boote und Wunschzettel verwoben waren, einen Ort der Hoffnung. In den Räumen der ehemaligen Leitz-Fabrik, die der Kunstsammler Gil Bronner in sein Privatmuseum Philara umgewandelt hat, erzeugt sie mit einem Geflecht rotdurchpulster Schläuche, die über Notenständer drapiert und von Glaskolben gespeist werden, eine eindringliche Atmosphäre. Es entstehen Assoziationen an einen offen liegenden Blutkreislauf oder ein geheimes alchemistisches Labor – Gedanken an Vergänglichkeit und Verletzlichkeit aber auch Verwandlung und vibrierendes Leben schwingen mit. Das Publikum kann sich in diesem Ambiente frei bewegen und sich der Musik zuwenden, die von Jeremias Schwarzer (Blockflöte), Neus Estarellas Calderòn (Klavier), Vanessa Porter (Percussion), Valerie Fritz (Cello) sowie Olivia Stahn und Alexandra Vildosola (Gesang/Stimme) solistisch oder in wechselnden Konstellationen dargeboten wird. Mäandernde kleine Stücke für Blockflöte von Liza Lim durchziehen den Raum, Leise Lieder von Birke Bertelsmeier, zarte Gesänge mit spröder Klavierbegleitung von Crumb und Cage. Manchmal scheint die Musik zeitlos um sich selbst zu kreisen wie in Andrián Pertouts Exposiciones für Toy Piano und Tape, manchmal ist sie ganz auf dem Punkt. Besonders markante Akzente setzt Samir Odeh-Tamimi – zum Beispiel in seinem Cellostück Uffukk, in dem kraftvolle, aggressive auf fragile, verletzliche Momente treffen. Es entsteht ein eigener Kosmos, dem das Kunststück gelingt, in sich geschlossen und gleichzeitig offen für die Welt zu sein. Diese dringt ein, wenn Steffen Schleichermacher in seinem Sprachstück Anfang beiläufig und hintersinnig zugleich Assoziationen zu den Begriffen Anfang, Umfang, Empfang usw. durchdekliniert, oder wenn die Musiker in den angrenzenden Biergarten ausschwärmen, wo uns neben Vogelgezwitscher auch die in nächster Nähe vorbeiratternden Züge erwarten.
Auf ganz andere Weise begegnen sich Musik und bildende Kunst in dem Projekt
Ce qui coule du geste, das die Geigerin Isabelle Faust mit der Malerin Charlotte Guibé zusammenbringt. Der tschechische Komponist Ondřej Adámek hat hierfür einen Parcours konzipiert, in dem seine eigenen Werke auf Barockmusik von Bach, Biber, Pisendel und Matteis treffen und in den er auch choreographische Aspekte integriert. Das erscheint zunächst ganz stimmig, da alle Elemente von einer ausgeprägten Gestik geprägt sind. Guibés live gemalte Bilder zeichnen sich durch spontanen Duktus und lebendige Farbigkeit aus. Da sie allerdings bereits vorhandene Gemälde überarbeitet und man den Malprozess – an einem horizontal ausgerichteten Stehpult – nur bedingt einsehen kann, hat man nicht wirklich den Eindruck, dem Entstehen beizuwohnen. Die von Adamék inszenierten direkten Bezugnahmen, zum Beispiel wenn die Künstlerinnen sich gegenüberstehen und Luftbewegungen vollführen, wirken zudem manchmal aufgesetzt und gewollt. So ist es letztlich die Musik und Isabelle Fausts sprechende Interpretation, die den Abend trägt.

Als Tummelplatz für die freie Szene Düsseldorfs war das Programm Neuland Vol. 2 konzipiert, für das sich Musiker und Musikerinnen mit Künstlern und Künstlerinnen anderer Sparten zusammenfinden sollten. Entsprechend bunt ging es zu: Mahlerlieder trafen auf Live-Zeichnen, georgische Musik auf Urban Dance, Fotokunst auf Akustikgitarre. Herausragend war die Performance von Nicola L. Hein und Claudia Schmitz. Der gebürtige Düsseldorfer Hein ist ein sehr umtriebiger und gut vernetzter Musiker, der aus seinem Instrument, der Gitarre, mit erweiterten Spieltechniken und elektronischem Equipment Unglaubliches herausholt. Claudia Schmitz steuert die Visuals bei, wobei sich beide zusätzlich von einem KI-Programm herausfordern lassen. Daraus entsteht ein dichter, aufregender, explosiver Mix, der den großen Kuppelsaal der Tonhalle zum Vibrieren bringt. Die Bilder entwickeln eine eigene Dynamik und sind doch nah an der Musik. Faszinierend ist bei beiden das Nebeneinander von aktuellster Technik und erdigem Handwerk. So kommt es beim Zusammentreffen von digitalen Bildern mit konkreten Objekten zu spannenden Transformationen.
Als wichtiger Ahnherr des künstlerischen Zusammenwirkens von Sehen und Hören gilt der Synästhetiker Skrjabin, der bereits 1910 für seine symphonische Dichtung
Prométhée. Le Poème du feu den Einsatz eines Farb- oder Lichtklaviers vorsah. Was damals noch an technische Grenzen stieß, birgt heute ungeahnte Möglichkeiten und inspirierte auch Martin Albrecht zu seinem Projekt The Scriabin Code, dessen Ziel es ist, „genreübergreifende Musik, Rekomposition, Improvisation und raumfüllend projizierte Live-Bewegtmalerei“ zu einem interdisziplinären Gesamtkunstwerk zu verbinden. Dem neuesten Programm, das in der Tonhalle seine Uraufführung erlebte, liegt Schumanns Klavierzyklus Kreisleriana zugrunde, der sich wiederum auf E.T.A. Hoffmanns Kunstfigur, den exzentrischen Kapellmeister Johannes Kreisler, bezieht. Asli Kiliç interpretiert die acht Fantasiestücke im Original, während Albrecht und seine Musiker einzelne Momente aufgreifen und weiterspinnen. Teils begeben sie sich auf elektronisch gespeiste Klang- und Geräuschexkursionen, doch die Instrumente erobern sich ihr melodisches und rhythmisches Terrain schnell zurück. Dem lässt sich gut folgen, aber manchmal driftet die Musik ab in allzu jazzige Gefilde bis hin zu lässiger Barmusik. Dabei fehlt mir die Doppelbödigkeit, die Schumanns Musik bei aller Verspieltheit stets auszeichnet. Für den visuellen Anteil sorgt Reinhard Geller, dessen live-bearbeitete Bilder auf den Boden der Tonhallenrotunde projiziert werden. Buchstaben, verschmelzende und sich auflösende Gesichter amalgamieren zu wirbelnden Farbstrudeln, die mit der Musik interagieren, doch sie kommen über das Dekorative kaum hinaus und setzen keine neuen Akzente. Vielleicht liegt es aber auch an der Präsentationsform, denn durch die horizontale Projektion, um die herum Musiker und Publikum kreisförmig angeordnet sind, verlieren die Bilder an Präsenz. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich keine Synästhetikerin bin sondern vor allem ein Ohrenmensch.


[Termine im Juli]

Köln

In der Kunststation Sankt Peter erklingt am 2.7. im Rahmen eines Lunchkonzerts Morton Feldmans Patterns in a Chromatic Field, das Multiphonic Quartett spielt am 3.7. in der Philharmonie u.a. Werke von Nyman und Glass, Helmut Lachenmann ist am 3.7. in der Hochschule für Musik und Tanz zu Gast, Rochus Aust präsentiert am 3.7. am Ebertplatz mit dem 1. Deutschen Stromorchester ein Tischtennisspiel der besonderen Art, Chamber Remix lädt am 3. und 4.7. zu einem Doppelkonzert mit Carter Williams und Albrecht Maurer, die reihe M präsentiert am 4.7. Viola Klein und im Stadtgarten steht ebenfalls am 4.7. das Quintett Gratkowski, Lehn, Blume, Zoubek und Manderscheid auf der Bühne.
Das Musiktheater-Ensemble I Transiti hat eine neue Veranstaltungsreihe gestartet, die am 2.7. mit einem Tanzabend unter dem Titel Accanto und am 23.7. mit der Aufführung von Trip-tyque fortgesetzt wird.

Kuratiert von Rochus Aust findet vom 27. bis 31.7. das Centre Court Festival für klangbasierte Künste statt. Aust präsentiert außerdem seine Pop-Up Audio Architecture am 28.7. und 29.7. in Köln und bereits am 2.7. in Hilden.
Das
Loft kündigt für den 2., 12. und 15.7. Konzerte an und ON – Neue Musik Köln veranstaltet am 6.7. einen Workshop zum Thema 'Social Media für die freie Szene'. Weitere Termine und Infos finden sich bei kgnm und Musik in Köln sowie Veranstaltungen mit Jazz und improvisierter Musik bei Jazzstadt Köln.
Achtbrücken
hat für 2023 wieder einen Kompositionswettbewerb ausgeschrieben und nimmt bis 28.11.22 Bewerbungen entgegen.

Ruhrgebiet

Im Bochumer Anneliese Brost Musikforum kommt im Rahmen des Klavier-Festival Ruhr am 3.7. ein Werk von Jörg Widmann zur Uraufführung.

Dominik Susteck spielt am 8.7. in der Dortmunder Kirche St. Patrokli u.a. sein Werk Zeichen.

Im Duisburger Ableger der Folkwanguniversität erklingen am 12.7. frische Klänge, Dominik Susteck ist am 15.7. und 29.7. in der Sankt Ludger Kirche zu Gast und im EarPort findet am 24.7. ein Sommerkonzert statt.

In der Essener Folkwanguniversität kann man bereits am 1.7. dem Impr%rchester lauschen und vom 4. bis 9.7. gibt es eine ganze Woche lang Neue Musik mit frischen Klängen, Masterabschlüssen und mehr. In der Neuen Musik Zentrale der Gesellschaft für Neue Musik Ruhr findet am 22.7. das nächste Wohnzimmerkonzert statt mit Werken von Levin Eric Zimmermann und John Cage.

Das E-Mex-Ensemble widmet sich in einer vierteiligen Konzertreihe Sylvano Bussotti. Auftakt ist am 9.7. in der Petrikirche in Mülheim an der Ruhr.

Düsseldorf

Antoine Beuger veranstaltet wie jedes Jahr im Sommer zwei intensive Klangraumwochen. Vom 5. bis 10.7. sind u.a. Eva-Maria Houben, James Creed und Bernd Bleffert zu Gast und vom 19. bis 24.7. werden u.a. Joep Dorren, Christoph Nicolaus und Alex Mah erwartet. André O. Möller kuratiert vom 12. bis 17.7. ein eigenes Programm.

Sonstwo

Die Bielefelder Cooperativa Neue Musik lädt am 4.7. zum nächsten Jour fixe ein.

Das Asasello Quartett kann man am 4.7. im Bonner Dialograum Kreuzung St. Helena im Live-Stream erleben.

Der Kammerchor der Detmolder Hochschule für Musik bringt am 8. und 9.7. Werke von Bach, Elgar, Esenvalds und Ligeti zur Aufführung.

Im LWL- Museum für Kunst und Kultur in Münster findet am 1.7. unter dem Titel Triathlon ein Performancekonzert mit Rochus Aust und dem 1. Deutschen Stromorchester statt.

Dominik Susteck setzt am 6.7. in Paderborn die Reihe 'blau – experimentelle musik im kirchenraum' fort.

Das Studio für Neue Musik der Universität Siegen veranstaltet am 14.7. einen Messiaen-Abend.

Termine mit improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.

Zu den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in NRW

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