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März 2023
Gewesen: Festival mit Musik und Kunst
von Michael von Biel in Köln
Angekündigt: Oper
Dogville
von Gordon Kampe in Essen – Ensemble Modern in Köln und
Bielefeld
u.v.a.m.
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[Festival mit Musik
und Kunst von Michael von Biel in Köln]
Noch vor kurzem war mir der Name Michael von
Biel kaum ein Begriff. Das hängt sicherlich damit
zusammen, dass er zu dem Zeitpunkt, als ich begonnen
habe, mich verstärkt für Neue Musik zu interessieren –
irgendwann in den 80ern – längst seinen Abschied von
dieser Musikrichtung erklärt hatte. Stattdessen wandte
er sich der bildenden Kunst zu und nahm 1968 ein
Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Joseph
Beuys auf. In Köln gab es nun die Gelegenheit, an drei
Tagen einen umfassenden Einblick in dieses
eigenwillige und mäandernde Leben und Schaffen zu
erhalten. Unter der künstlerischen Leitung von Gisela
Gronemeyer und Rainer Nonnenmann luden die Zeitschrift
MusikTexte und ON Cologne gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Tanz Köln ein, sich vom 10. bis 12.2. intensiv mit von Biels musikalischem und
bildnerischem Werk zu befassen.
Von Anfang an war der 1937 in Hamburg geborene von
Biel ein Grenzgänger, der zunächst zwischen jenen
Welten wandelte, die uns oft als unvereinbare
Antipoden vorgeführt werden: Die amerikanische oder
genauer New Yorker Avantgarde rund um Cage, Tudor,
Feldman und Wolff und die Darmstädter Schule rund um
Stockhausen, Boulez und Nono. Durch sein Abitur in
England und ein abgebrochenes Handelsstudium in
Toronto bereits anglo-amerikanisch akklimatisiert
landete von Biel 1960 in New York und dort rein
zufällig bei Morton Feldman, bei dem er privaten
Kompositionsunterricht erhielt. Bei der erwähnten
Entgegenstellung stehen die New Yorker meist für
Freiheit, Offenheit und Indeterminismus, während die
Darmstäder als engstirnige und engherzige Zahlen- und
Parameterfuchser präsentiert werden. In diesem Fall
war es jedoch Feldman, der eine klare Warnung
aussprach bzw. direkt zum Kampf aufrief („Don't ever
go to Darmstadt... Let's get Darmstadt over here and
kill it.“). Auf der anderen Seite des Atlantiks hatte
man offenbar weniger Berührungsängste: Bereits 1958
war Cage nach Darmstadt eingeladen worden und von
Biel, der mit sichtlich schlechtem Gewissen seine
Fühler nach Europa ausstreckte („Das war ziemlich
schlimm. Ich würde ihm – also Feldman – untreu
werden.“), erhielt von Stockhausen eine
„enthusiastische Antwort“. 1962 traf er bei den
Ferienkursen ein, wo er prompt auf David Tudor stieß
und in der Folge sogar den ersten Preis in einem von
Stockhausen ausgelobten Wettbewerb einheimste. Dieses
Sich-Nicht-Festlegen-Wollen ist das Faszinierende an
von Biel, es gelingt ihm zwischen den Stühlen zu
sitzen ohne völlig unter die Räder zu kommen, etwaige
Animositäten oder gar Feindseligkeiten zwischen den
Protagonisten scheint er auszublenden, alle, vor allem
die Frauen, sind immer „außerordentlich liebenswürdig“
und so gelingt es ihm, windschnittig zwischen den
Fronten zu segeln. Da überrascht es nicht, dass er
noch im gleichen Jahr bei einem weiteren
Avantgardeereignis mitmischte: dem von George Maciunas
1962 in Wiesbaden veranstalteten und als
'Internationale Festspiele Neuester Musik' annocierten
Event, das als Geburtsstunde von Fluxus in Deutschland
gilt und gleichzeitig einen Brückenschlag zur
bildenden Kunst darstellte.
Wie von Biels in diesen wilden Zeiten entstandene
Musik klingt, war im Eröffnungskonzert des Kölner
Festivals zu erleben: Den aufgeführten Werken Ebene bei S'Cairn und Welt 2 liegen verbal notierte Aktionspartituren
zugrunde, die vom hochschuleigenen Ensemble und
Orchestra Col LAB Cologne mit großem Engagement und
offensichtlichem Spaß in die Tat umgesetzt wurden. Welt 2 besteht aus kurzen, von Pausen durchsetzen
Aktionen, bei denen zwischen Geräuschen und klaren
Tonhöhen alles möglich ist, wobei erstere das Feld
beherrschen. Es wird gelacht und gejohlt, geklappert
und geklatscht, gestampft, gehustet und getrötet – ein
kunterbuntes Panoptikum. Das Stück deklination ist geprägt von Juliane Bogners
eindringlicher Altstimme, die vor
turbulent-experimentellem Hintergrund zwischen der
üblichen Vokalartistik und dunkel-sattem Stimmklang
changiert. Von Biel mag gespürt haben, dass diese
ausufernde Grenzenlosigkeit eher früher als später an
ihre Grenzen stößt. Das überzeugendste Werk aus den
60ern ist eines, bei dem das Instrumentarium für
Konzentration und Begrenzung sorgt: In seinem zweiten Streichquartett, das im Konzert mit dem Asasello-Quartett zu Gehör kam, wirft er alle Hörgewohnheiten
des ehrwürdigen Genres über den Haufen und lässt die
Streicher knarzen und stöhnen. Heftige
Pizzicatoattacken und von übermäßigem Bogendruck
traktierte Saiten sorgten nicht nur 1963 in Darmstadt
für einen Skandal, sondern gehen auch heute noch in
ihrer körperlichen Direktheit unter die Haut.
Natürlich fühlt man sich sofort an Lachenmanns Musique
concrète instrumentale, allem voran an sein erstes
Streichquartett Gran Torso, erinnert. Dieser beruft sich auch auf von Biel
und bringt es in einem Interview treffend auf den
Punkt: „Wo Michael von Biel den Zaun eingerissen
hatte, ging es darum, sich auf der ganzen Breite der
so erweiterten Fläche ernsthaft anzusiedeln.“
Diese Bestellung und Pflege des Ackers war von Biels
Sache nicht, weshalb er sich wie erwähnt von der Neuen
Musik lossagte. Als Abschiedswerk gilt sein
Konzeptstück Komposition für großes
Orchester, bei dem die Instrumente in Decken, Tücher
oder Kleidungsstücke gehüllt ein gängiges
Repertoirestück anstimmen. In Köln war es der Anfang
von Beethovens 5. Symphonie, der sich erstickt und verzerrt, verwundet
und klagend letztlich doch zu behaupten wusste.
Von Biel machte einen kurzen Abstecher an die
Düsseldorfer Kunstakademie und war mit seinen
Zeichnungen 1977 sogar auf der Kasseler documenta
vertreten, aber zu seinem Umherschweifen gehört, dass
auch der Abschied von der Musik kein endgültiger war.
Angeregt von Interpreten wie dem Gitarrenduo Wilhelm
Bruck und Theodor Ross oder dem Pianisten Herbert
Henck entstanden Werke, die teils bereits im Titel
verraten, dass zumindest der Abschied von der
Avantgarde ernstgemeint war. In den Traditonellen Stücken für zwei Gitarren lässt er sich von Folklore
und Renaissance inspirieren und bewegt sich in tonalen
Gefilden. Aber ganz so schlicht wird es dann doch
nicht. Die Musik klingt vertraut und ungewöhnlich
zugleich. In scheinbar bekanntem Gelände scheint er
vom Weg abzukommen, unbedarft herumstreunend jedoch
nicht zu weit, behutsam doch ohne Scheu. Dieses
ziellose Schlendern kann langweilig werden, wie in
seinem Leben gibt es keine übergeordnete Linie, keine
Entwicklung, aber bevor es richtig fad wird, hat von
Biel schon wieder einen neuen Faden aufgegriffen, eine
neue Idee ins Visier genommen, die er kurz auskostet
ohne sie überzustrapazieren. Auch experimentelle
Ansätze wie Präparationen im Klavierinneren oder durch
meterlange Papprollen erzeugte Klaviercluster gehören
weiterhin zu seinem Fundus. Henck soll moniert haben,
dass er „nur so herumimprovisieren würde“ und
tatsächlich beruhen spätere Werke auf Improvisationen
an einem MIDI-Klavier, die durch ein Notensatzprogramm
direkt in Partituren übertragen wurden. David Tudor
hat ihn ermuntert, nicht nur zu suchen sondern auch
mal zu finden. Das Ergebnis war der Fund dreier
Gartengrills, die er elektrisch verstärkt in sein Jagdstück integrierte. Diese und weitere Anekdoten hat
von Biel in seinen Illustren Memoiren überliefert, die zusammen mit weiteren
Beiträgen in der aktuellen Ausgabe der MusikTexte in Ausschnitten nachzulesen
sind. Sie zeigen uns einen Künstler, der uns mit
großer Offenheit und teils berührender Naivität
Einblick in sein Fühlen und Handeln gewährt. Seine
Unsicherheit, seine existentielle Not, seine
allgegenwärtigen Geldsorgen sind stets spürbar und
doch will er sich seine positive Grundeinstellung
nicht nehmen lassen. Er macht „wunderbare“ Musik mit
der Popgruppe Can, wie überhaupt alles „wunderbar
lyrisch großartig“ und „herrlich idealistisch“ ist,
und ist „froh über ein so liebes Vertrauen“, das ihm
immer wieder entgegengebracht wird. Kein Alpha-Tier,
das sich in die erste Reihe boxte, aber einer, der
sich ohne den Anspruch, die (Musik-)Welt neu zu
erfinden, auf neue Pfade wagte. Die Detailarbeit haben
aber andere geleistet und die sind dann auch in die
Musikgeschichte eingegangen.
[Termine im März]
Köln
Auf dem Programm der Philharmonie
stehen ein interaktives Konzert mit dem Ensemble Modern
am 5.3.,
das WDR Sinfonieorchester mit einer Uraufführung von Klaus Lang
am 10.3.
und 11.3.,
ein Werk von Charlotte Bray am 12.3.
und das Ligeti-Experiment am 23.3.
Außerdem spielt das Gürzenich-Orchester am 5.,
6.
und 7.3.
Accused von Magnus Lindberg und am 26.,
27.
und 28.3.
ein Konzert für Klangwerk und Orchester von Georg
Friedrich Haas.
In der Alten
Feuerwache erwarten uns Der eingebildete Kranke
mit der Sinfonia
NRW am 4.3., Kai Niggemann in der Werkstattgesprächsreihe
ChezOn sowie das
Ensemble Hand Werk
am 9.3., die Ensembles
Kommas und New
Babylon am 19.3., Inverspace am
24.3. und E-Mex am 31.3.
Die Kunststation
Sankt Peter kündigt Lunchkonzerte am 4., 11., 18. und
25.3., das Ensemble Tra
i Tempi am 10.3. und ein Konzert mit
Werken des Bernd-Alois-Zimmermann Preisträgers 2022 Simon Bahr am 29.3.
an.
Ein Release-Konzert des Trios C/W|N findet am 2.3. im Salon de Jazz statt, die
Musikfabrik lädt am
6.3.
zum Montagskonzert, im Stadtgarten
steht am 6.3.
und 7.3.
Musik aus dem Iran im Fokus, das Broken Ghost Consort kommt am 16.3.
in die Tersteegenkirche, kgnm startet am 18.3.
ein Kooperationsprojekt mit Ensembles aus Amsterdam und Zagreb
und am 29.3. gibt es wieder die Soirèe Sonique im Lutherturm.
Fast tägliche Konzerte sind
im Loft zu erleben und FUNKT präsentiert jeden 2. und 4.
Dienstag im Monat ein Radioformat mit Elektronik und
Klangkunst aus Köln (am 14.3. mit hans w koch und am
28.3. in memoriam Peter Behrendsen, s.a. 25.3. im Loft). Weitere Termine und Infos finden sich bei kgnm, Musik in Köln sowie Veranstaltungen mit Jazz und improvisierter
Musik bei Jazzstadt Köln.
Ruhrgebiet
Kit Armstrong interpretiert
im Rahmen des Klavier-Festivals
Ruhr im Bochumer Anneliese Brost Musikforum
Klaviermusik aus fünf Jahrhunderten. Den Abschluss bildet am 12.3.
der Zeitraum von 1920 bis 2020.
Im
Dortmunder
depot lädt die
Parzelle am 8.3.
zu einem Free Jazz-Abend mit Martin Blume, Thomas Lehn, Ken
Vandermark und Matthias Muche und im domicil stehen
das Philip Zoubek Trio am 3.3.,
das Julie Campiche Quartett am 10.3.,
The Dorf am 16.3.
und das Hank Roberts Trio am 23.3.
auf dem Programm.
Am 11.3.
sind Julia Mihály und Kai Niggemann im Lokal Harmonie in Duisburg
zu Gast und das Kuss Quartett trifft am 26.3.
in der Mercatorhalle auf Perkussion und Poetry-Slam.
Am 11.3. hat im Essener Aalto-Theater Gordon Kampes Oper Dogville
nach dem gleichnamigen Film von Lars von Trier Premiere und das
Ensemble S201 begegnet am 18.3.
in der RüBühne den Düsseldorf Düsterboys.
Düsseldorf
In der Tonhalle spielen die
Düsseldorfer Symphoniker und Nils Mönkemeyer am 3.,
5.
und 6.3.
Peter Ruzickas Depart –
Konzert für
Viola und Orchester. Außerdem stehen die
Sinfonia NRW
am 5.3.,
Martin Grubinger am 9.3.
und Ligetis Trio
für Violine, Horn und Klavier
am 15.3.
auf dem Programm. Der Klangraum 61
veranstaltet am 18.3. den nächsten Salon Neue Musik
und am 29.3.
erklingt in einem geistlichen Konzert anlässlich der
Verabschiedung von Prof. Raimund Wippermann als Rektor der Robert Schumann
Hochschule und als Professor für Chorleitung in der
Maxkirche neben Brahms ein Werk von Sven-David
Sandström.
Sonstwo
Die Aachener Gesellschaft für
zeitgenössische Musik befasst sich am 3.3. in der Reihe
'Hören und Sprechen über Neue Musik' mit Olga Neuwirth.
In
der Rudolf-Oetker-Halle in Bielefeld
interpretiert das Ensemble Modern
am 10.3.
Johannes
Motschmanns AION für Ensemble
und Künstliche Intelligenz, die Cooperativa Neue Musik
lädt monatlich zum Jour
fixe ein und in der Zionskirche
finden am 12., 19. und 30.3. Konzerte mit Neuer Musik statt.
In Bonn veranstaltet die In Situ Art Society
regelmäßige Konzerte im Dialograum Kreuzung an
St. Helena und am 29.3.
erklingt Gérard Pessons Nebelstück im Alten Bundesrat.
Am 25.3. hat Peter Eötvös Oper Tri
Sestry (drei Schwestern) nach Anton Tschechow im
Theater Hagen Premiere.
Das Begleitprogramm zur Ausstellung ON AIR –
Der Klang des Materials in der Kunst der 1950er bis 1970er
Jahre im Kaiser Wilhelm Museum Krefeld umfasst Steve Reichs Pendulum Music am 7.3. sowie Sound im
Avantgardefilm am 9. und 16.3. und im TAM erwartet uns im März
Streich(er)-Werk – wie
immer freitags um 22 Uhr.
Die Blackbox
in Münster kündigt das Trio ABACAXI am 5.3.
und Jan Klare mit Kollegen am 26.3. an.
Dominik Susteck ist am
12.3.
mit seiner Komposition Zeichen
in St. Joseph in Siegen zu Gast.
Das Wuppertaler Sinfonieorchester spielt am 5.
und 6.3. Unsuk Chins subito con forza und
am 17.3.
kommt das Broken Ghost Consort in die Sophienkirche. Der ort kündigt neben
dem cine:ort
am 2.3. das Trio Knack! am 3.3.
und Gedichte und Texte von Esther Kinsky mit Musik nach
Motiven von Béla Bartók am 11.3.
an.
Termine mit
improvisierter Musik finden sich bei NRWJazz.
Zu
den seit 2017 erschienenen Gazetten Neue Musik in
NRW
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